Elenium-Triologie
›Pilger‹ einer war. Können wir bei der religiösen Einstellung der eshandistischen Ketzer davon ausgehen, daß sie in die Heilige Stadt kommen, um die Thronbesteigung eines neuen Erzprälaten mit uns zu feiern? Hat unser teurer Bruder Makova die Häretiker des Südens etwa auf wundersame Weise zum wahren Glauben bekehrt und sie mit dem Körper unserer Heiligen Mutter Kirche wiedervereint? Ich blicke gespannt der Antwort des verehrten Patriarchen von Coombe entgegen.« Er heftete erwartungsvoll die Augen auf Makova.
»Ich bin froh, daß er auf unserer Seite steht«, flüsterte Ulath Tynian zu.
»Ich auch.«
»Ah«, sagte Emban, als Makova ihn hilflos anstarrte. »Ich habe meine Erwartung vielleicht zu hoch geschraubt. Dann müssen wir alle Gott um Vergebung bitten, weil es uns nicht gelang, diese Gelegenheit zu nutzen, die Wunde im Körper unserer Heiligen Mutter zu schließen. Unser Bedauern und unsere bitteren Tränen der Enttäuschung dürfen jedoch nicht unsere Augen gegenüber der rauhen Wirklichkeit trüben. Die ›Pilger‹ vor unseren Toren sind nicht, was sie zu sein vorgeben. Unser teurer Bruder Makova wurde grausam getäuscht, fürchte ich. Was sich vor der Stadt sammelt, ist keineswegs eine Heerschar von Gläubigen, sondern die blutgierige Armee unserer verhaßtesten Feinde, die darauf erpicht sind, das Herz unseres wahren Glaubens zu vernichten und zu entweihen. Unser persönliches Geschick, meine Brüder, ist unwichtig, aber ich möchte euch allen raten, euren Frieden mit Gott zu machen. Die Greueltaten, deren sich die eshandistischen Häretiker gegenüber Angehörigen der höheren Priesterschaft befleißigen, sind nur allzu gut bekannt, als daß sie hier aufgeführt werden müßten. Ich persönlich habe mich damit abgefunden, daß mein Los die Flammen sein werden.« Er machte eine Pause, dann grinste er und drückte die Hände auf seinen feisten Bauch. »Ich werde gewiß ein gutes Feuer abgeben.«
Ein nervöses Lachen erhob sich im Saal.
»Unser eigenes Geschick ist nicht wichtig«, betonte Emban aufs neue. »Von Bedeutung aber ist das Geschick der Heiligen Stadt und das der Kirche. Wir sehen uns einer schrecklichen, aber einfachen Entscheidung gegenüber. Übergeben wir unsere Mutter den Häretikern oder kämpfen wir?«
»Kämpfen!« schrie ein Patriarch und sprang auf. »Kämpfen!«
Sein Ruf wurde rasch aufgegriffen. Bald stand die gesamte Hierokratie und brüllte nur das eine Wort: »Kämpfen!«
Emban verschränkte theatralisch die Hände im Rücken und neigte den Kopf. Als er ihn wieder hob, rannen Tränen über seine Wangen. Er drehte sich langsam um, damit jeder im Audienzsaal reichlich Gelegenheit hatte, diese Tränen zu sehen. »Aber, meine Brüder«, fuhr er mit gebrochener Stimme fort, »unser Eid verbietet uns, Soutane und Ornat abzulegen und das Schwert zu ergreifen. In dieser furchtbaren Krise stehen wir hilflos da. Wir sind dem Untergang geweiht, meine Brüder, und unsere Heilige Mutter Kirche mit uns. Wehe, daß ich diesen schrecklichen Tag noch erleben muß. An wen können wir uns wenden, Brüder? Wer wird uns zu Hilfe kommen? Wer hat die Macht, uns in dieser dunkelsten Stunde zu beschützen? Was für Männer gibt es auf dieser weiten Welt, die uns in diesem schrecklichen, diesem tödlichen Kampf beschützen können?«
Eine atemlose Pause setzte ein.
»Die Ordensritter!« ertönte schließlich eine kraftlose Greisenstimme aus den gepolsterten Bankreihen. »Wir müssen uns an die Ordensritter wenden! Nicht einmal die Mächte der Hölle können sie besiegen!«
»Die Ordensritter!« schrie die Hierokratie nun einstimmig. »Die Ordensritter!«
11
Die Aufregung im Audienzsaal hielt noch eine Zeitlang an, während Patriarch Emban von Uzera ernst in der Mitte des langen Saales stand. Er hatte sich zufällig auch genau die Mitte der Stelle ausgesucht, wo die Sonnenstrahlen durch das Rundfenster hinter dem leeren Thron auf die Marmorfliesen fielen. Als das Stimmengewirr allmählich verstummte, hob er eine fleischige Hand. »Wahrlich, meine Brüder«, fuhr er in geschickt gewähltem, düster ernstem Tonfall fort, »die unschlagbaren Ordensritter könnten Chyrellos mühelos verteidigen, doch sind sie gegenwärtig zum Schutz von Arzium im Einsatz. Die Hochmeister sind natürlich hier, auf ihrem rechtmäßigen Platz unter uns, doch hat jeder nur eine kleine Eliteabteilung bei sich, die kräftemäßig keineswegs genügt, die uns umzingelnden Armeen der Finsternis abzuwehren.
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