Elenium-Triologie
pelosischem Akzent. »Nehmt Euch nicht zuviel heraus! Ihr habt meines Herrn Kastellanin und mich mit Respekt zu behandeln, trotz Eurer armseligen selbstgerechten Frömmelei!«
Erzürnt schnaubte der Ladeninhaber: »Das ist unver…«
Mit einem Fausthieb zerschmetterte Sperber die Platte eines billigen Tisches. Dann packte er den Mann am Kragen und zog ihn heran, daß sich das Gesicht des Händlers unmittelbar vor dem seinen befand. »Verstehen wir einander?« fragte er mit bedrohlich leiser Stimme.
»Was wir benötigen, guter Meister Kaufmann«, sagte Sephrenia sanft, »ist eine Gemächerflucht an der Straßenseite. Unser Herr vergnügt sich gern damit, die Höhen und Tiefen der Menschheit zu beobachten.« Sie senkte schamhaft die Wimpern. »Habt Ihr vielleicht oben in Eurem Haus dergleichen?«
Die widersprüchlichsten Gefühle stritten sich in der Miene des Ladenbesitzers, ehe er sich umdrehte und ihnen voraus die Treppe hochstieg.
Die oberen Räume waren schäbig und verwahrlost. Irgendwann einmal waren sie gestrichen worden, doch die erbsensuppengrüne Farbe war inzwischen abgeblättert und hing noch da und dort brüchig von den Wänden. Sperber und Sephrenia interessierten sich jedoch nicht für die Farbe. Ihre Blicke flogen sogleich zu den schmutzigen Fensterscheiben des mittleren Zimmers.
»Es sind noch mehr Gemächer, meine Dame«, sagte der Hauswirt nun respektvoller denn zuvor.
»Wir wollen uns in aller Ruhe umsehen, guter Meister Kaufmann.« Sie legte den Kopf ein wenig schief. »Waren das Schritte eines Kunden, die ich von unten hörte?«
Der Mann blinzelte, dann rannte er hinunter.
»Könnt Ihr von diesem Fenster aus das Haus am Gassenende sehen?« fragte Sephrenia Sperber.
»Die Scheiben sind dreckig.« Sperber hob den Saum seines grauen Umhangs, um Staub und Schmutz wegzuwischen.
»Tut das nicht!« rief Sephrenia hastig. »Styriker haben scharfe Augen.«
»Na gut. Dann spähe ich eben durch den Schmutz. Elenische Augen sind ebenso scharf.« Er blickte sie an. »Passiert das jedesmal, wenn Ihr ausgeht?« fragte er.
»Ja. Gewöhnliche Elenier sind nicht klüger als gewöhnliche Styriker. Ehrlich gesagt, ich unterhalte mich lieber mit einer Kröte als mit ihnen.«
»Kröten können sprechen?« fragte er erstaunt.
»Wenn man weiß, worauf man achten muß, ja. Sie sind allerdings keine sehr anregenden Gesprächspartner.«
Das Haus am Ende der Straße wirkte nicht sehr imposant. Das Erdgeschoß war aus unbehauenem Feldstein, die Fugen stümperhaft mit Mörtel gefüllt, und der erste Stock aus grob zurechtgeschnittenem Holz. Irgendwie paßte es nicht zu den anderen Häusern rundum, und man gewann den Eindruck, als sondere es sich von seinen Nachbarn ab. Während sie es beobachteten, kam ein Styriker in dem grobgewebten Wollkittel, welcher charakteristisch für die styrische Landbevölkerung war, die Gasse hinauf und ging auf das Haus zu. Ehe er es betrat, schaute er sich verstohlen um.
»Nun?« fragte Sperber.
»Schwer zu sagen«, antwortete Sephrenia auch diesmal. »Es ist wie bei dem anderen, an dem wir vorbeikamen. Er ist entweder ein sehr einfacher oder ein sehr fähiger Mann.«
»Das könnte uns viel Zeit kosten.«
»Nur bis zum Abend, wenn ich mich nicht täusche«, beruhigte sie ihn und zog sich einen Stuhl ans Fenster.
Während der nächsten Stunden betraten verhältnismäßig viele Styriker das Haus, und als die Sonne in einer dichten, schmutziggrauen Wolkenbank im Westen unterging, trafen auch noch andere Landsleute ein. Ein Cammorier in leuchtend gelbem Seidengewand stahl sich die Sackgasse hoch und wurde sogleich eingelassen. Ein Lamorker in poliertem Stahlharnisch und hohen Stiefeln marschierte in Begleitung von zwei Armbrustschützen arrogant zu dem Haus und wurde ebenso rasch hineingebeten. Dann, als die winterliche Abenddämmerung sich über Chyrellos senkte, kam eine Dame in Purpurumhang mit einem Lakai in Lederharnisch, wie sie in Pelosien üblich waren, die Gasse entlang. Sie bewegte sich eigenartig steif und ruckartig, und ihre Augen wirkten leer, doch aus ihrer Miene sprach unbeschreibliche Ekstase.
»Merkwürdige Besucher für ein styrisches Haus«, murmelte Sephrenia.
Sperber nickte und schaute sich in dem schon fast dunklen Zimmer um. »Soll ich Licht machen?«
»Nein, es ist besser, wenn man nicht weiß, daß sich jemand hier aufhält.« Sie lehnte sich an ihn, daß ihm der würzige Duft edler Hölzer in die Nase stieg. »Doch Ihr dürft meine Hand halten«, bot
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