Elenium-Triologie
Schlüssel«, sagte er knapp.
»Aber…«
»Ich sagte, laßt ihm den Schlüssel!« schnaubte Annias. »Wir brauchen ihn ohnedies nicht. Soll doch der Streiter der Königin den Schlüssel des Raumes aufbewahren, in dem sie schläft.« Seine Stimme hatte einen häßlichen Beiklang, und Sperber ballte die noch behandschuhte Rechte.
»Würdet Ihr auf dem Rückweg zur Ratskammer mit mir gehen, Ritter Sperber?« bat der Graf von Lenda und legte eine Hand auf des Ritters gerüsteten Unterarm. »Mein Schritt ist manchmal unsicher und ich finde einen kräftigen jungen Mann an meiner Seite beruhigend.«
»Selbstverständlich, Graf.« Sperber öffnete die Faust. Als Lycheas die Ratsmitglieder durch den Korridor zur Ratskammer zurückführte, schloß Sperber die Tür und sperrte sie zu. Dann reichte er seinem väterlichen Freund den Schlüssel. »Würdet Ihr ihn bitte für mich aufbewahren, Graf?«
»Gerne, Ritter Sperber.«
»Und wenn es Euch möglich ist, dann sorgt dafür, daß die Kerzen im Thronsaal immer brennen. Dunkelheit ist Ihrer Majestät nicht würdig.«
»Ich kümmere mich darum.«
Sie schritten nun ebenfalls den Korridor entlang.
Der Greis blickte ihn an. »Wißt Ihr, Sperber, man hat eine Menge Ecken und Kanten übersehen, als man Euch den letzten Schliff gab.«
Sperber grinste ihn an.
»Ihr könnt wahrhaftig beleidigend sein, wenn Euch der Sinn danach steht.« Lenda schmunzelte.
»Ich tue mein Bestes, Graf.«
»Seid hier in Cimmura besonders vorsichtig, Sperber«, mahnte ihn der alte Herr leise. »Annias hat an jeder Ecke Spitzel. Lycheas wagt ohne seine Erlaubnis nicht einmal zu niesen. Der wirkliche Herrscher in Elenien ist der Primas, und er haßt Euch.«
»Ich mag ihn auch nicht sonderlich.« Sperber fiel etwas ein. »Ihr habt Euch heute auffällig auf meine Seite geschlagen, Graf. Könnte das unangenehme Folgen für Euch haben?«
Der Graf von Lenda lächelte. »Das bezweifle ich. Ich bin zu alt und zu machtlos, als daß Annias eine Bedrohung in mir sehen könnte. Ich bin höchstens ein Ärgernis für ihn, und er ist viel zu berechnend, als daß er deswegen gegen mich vorginge.«
Der Primas wartete an der Tür zur Ratskammer auf sie. »Der Rat hat die Lage besprochen, Herr Sperber«, sagte er kalt. »Die Königin befindet sich offensichtlich in keiner Gefahr. Ihr Herzschlag ist kräftig, und der Kristall um sie undurchdringlich. Sie bedarf in ihrem Zustand keines Beschützers. Der Rat befiehlt Euch deshalb, daß Ihr in das hiesige Haus Eures Ordens zurückkehrt und dort bleibt, bis Ihr neue Anweisungen erhaltet.« Ein eisiges Lächeln zog über seine Lippen. »Oder bis Euch die Königin persönlich rufen läßt, natürlich.«
»Selbstverständlich, Exzellenz. Genau das wollte auch ich vorschlagen. Ich bin nur ein einfacher Ritter, und im Ordenshaus unter meinen Brüdern ist mir wohler als hier im Schloß.«
Er lächelte. »Ich fühle mich am Hof völlig fehl am Platz.«
»Es ist mir nicht entgangen.«
»Das dachte ich mir.« Sperber drückte die Hand des Grafen von Lenda zum Abschied. Dann blickte er Annias ins Gesicht.
»Auf Wiedersehen, Exzellenz.«
»Falls wir uns wiedersehen.«
»Oh, das werden wir, Annias. Das werden wir ganz gewiß.« Sperber drehte sich auf dem Absatz und schritt den Korridor hinunter.
3
Das Ordenshaus der pandionischen Ritter in Cimmura lag etwas außerhalb des östlichen Stadttors. Im Grund genommen war es in jeder Hinsicht eine Burg – mit hohen Mauern, Brustwehr und trutzigen Türmen an jeder Ecke. Einlaß gestattete eine Zugbrücke über einem tiefen Graben, der mit spitzen Pfählen gespickt war. Die Zugbrücke war heruntergelassen, doch vier schwarzgerüstete Pandioner auf kräftigen Streitrossen bewachten sie.
Sperber zügelte Faran am äußeren Ende der Brücke und wartete. Es waren einige Formalitäten erforderlich, ehe man in einem pandionischen Ordenshaus Zutritt fand. Er stellte fest, daß ihn diese Formalitäten erstaunlicherweise nicht störten. Sie waren während der Jahre seines Noviziats Teil seines Lebens gewesen, und die Einhaltung dieser uralten Gebräuche erschien ihm als Erneuerung und Wiederbestätigung seiner Identität. Während er auf die rituelle Herausforderung wartete, versanken die sonnenglühende Stadt Jiroch und die Frauen, die im stahlgrauen Morgenlicht zu den Brunnen gingen, immer tiefer in seiner Erinnerung, wurden schwächer und nahmen den ihnen gebührenden Platz unter allen anderen Erinnerungen ein.
Zwei Ritter
Weitere Kostenlose Bücher