Elenium-Triologie
tiefen, hohl klingenden Stimme.
»Gut, Occuda«, entgegnete der Mann am Tisch müde. »Bereitet die Gemächer für sie. Sie werden bleiben, bis das Unwetter fortgezogen ist.«
»Wie Ihr wünscht, Herr.« Der hünenhafte Diener drehte sich um und ging.
»Nur wenige Reisende verirren sich je in diesen Teil des Reiches«, sagte der Mann in Schwarz. »Die Gegend ist trostlos und dünn besiedelt. Ich bin Graf von Ghasek und biete Euch den zweifelhaften Schutz meines Hauses an, bis das Gewitter vorübergezogen ist. Es könnte jedoch sein, daß Ihr Euch schon bald wünscht, den Weg hierher nicht gefunden zu haben.«
»Ich heiße Sperber«, stellte der breitschultrige Pandioner sich vor, dann seine Gefährten.
Ghasek nickte jedem höflich zu. »Bitte nehmt Platz«, forderte er seine ungeladenen Gäste auf. »Occuda wird bald zurückkommen und euch eine Erfrischung vorsetzen.«
»Ihr seid zu gütig, Graf Ghasek«, dankte Sperber und zog Helm und Rüsthandschuhe aus.
»Es könnte sein, daß Ihr bald anderer Meinung seid, Ritter Sperber«, entgegnete Ghasek dunkel.
»Das ist bereits das zweite Mal, daß Ihr mögliche Schwierigkeiten in Eurem Haus andeutet, Euer Gnaden«, sagte Tynian.
»Und vielleicht nicht das letzte Mal, Ritter Tynian. Das Wort ›Schwierigkeiten‹ ist jedoch viel zu milde, fürchte ich. Um ganz ehrlich zu sein – hättet ihr euch nicht als Ordensritter zu erkennen gegeben, wäre euch meine Burg verschlossen geblieben. Es ist ein vom Unheil verfolgtes Haus, und ich setze Fremde diesem Unheil nur widerwillig aus.«
»Wir kamen vor ein paar Tagen durch Venne, Graf Ghasek«, sagte Sperber. »Man munkelt da so allerhand über Eure Burg.«
»Das wundert mich nicht im geringsten«, antwortete der Graf und strich sich mit zitternder Hand über das Gesicht.
»Fühlt Ihr Euch nicht gut, Euer Gnaden?« erkundigte Sephrenia sich.
»Es mag am Alter liegen, werte Dame, und dafür gibt es nur eine Heilung.«
»Wir haben außer dem Torwächter keine anderen Bediensteten in Eurem Haus gesehen, Euer Gnaden«, sagte Bevier, der seine Worte offenbar sorgfältig wählte.
»Occuda und ich sind jetzt alleine hier, Ritter Bevier.«
»Im Wald sind wir einem Spielmann begegnet, Graf Ghasek.« Beviers Stimme klang nun beinahe anklagend. »Er erwähnte, daß Ihr eine Schwester habt.«
»Ihr meint gewiß den Narren, der sich Arbele nannte«, erwiderte der Graf. »Ja, ich habe eine Schwester.«
»Werden wir die Dame kennenlernen?« fragte Bevier jetzt scharf.
»Nein«, antwortete der Graf knapp. »Meine Schwester ist krank.«
»Die Erhabene Sephrenia ist in der Heilkunst sehr bewandert«, sagte Bevier hartnäckig.
»Die Krankheit meiner Schwester ist unheilbar«, erklärte der Graf fest.
»Das genügt, Bevier«, rügte Sperber den jungen Cyriniker.
Bevier errötete. Er erhob sich und stapfte zur gegenüberliegenden Seite des Saales.
»Der junge Mann scheint sehr erregt zu sein«, bemerkte der Graf.
»Der Spielmann Arbele hat einiges über Eure Burg erzählt«, sagte Tynian freimütig. »Bevier ist Arzier, und Arzier sind leicht erregbar.«
»Ich verstehe«, murmelte der melancholische Graf. »Ich kann mir gut vorstellen, welche verrückten Geschichten Arbele erzählt. Glücklicherweise werden nur wenige ihm glauben.«
»Ich fürchte, da täuscht Ihr Euch, edler Herr«, widersprach Sephrenia. »Die Geschichten, die Arbele erzählt, sind Symptom einer Krankheit, die seinen Geist verwirrt, und diese Krankheit ist ansteckend. Zumindest eine Zeitlang wird jeder, mit dem er spricht, seine Worte für die reine Wahrheit halten.«
»Der Arm meiner Schwester wird offenbar länger.«
Irgendwo, in einem entfernten Teil der Burg, gellte ein gräßlicher Schrei, dem geistloses, schrilles Gelächter folgte, das scheinbar nicht enden wollte.
»Eure Schwester?« fragte Sephrenia sanft.
Ghasek nickte, und Sephrenia konnte in seinen Augen Tränen glänzen sehen, die er kaum zurückzuhalten vermochte.
»Und es ist nicht ihr Körper, der krank ist?«
»Nein.«
»Wir wollen von etwas anderem reden, meine Herren«, wandte Sephrenia sich an die Ritter. »Dieses Thema ist zu schmerzvoll für den Grafen.«
»Ihr seid sehr gütig, liebe Dame«, sagte Ghasek dankbar. Er seufzte, dann fragte er: »Verratet ihr mir, meine Herren Ritter, was euch in diesen trostlosen Wald verschlagen hat?«
»Wir sind nur aus einem Grund hier, Euer Gnaden«, antwortete Sperber. »Um Euch zu sprechen.«
»Mich?« Der Graf blickte ihn erstaunt
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