Elenium-Triologie
ihrem gegenwärtigen Zustand nicht zu sehr bedrängten, Eminenz.«
Emban bedachte Ehlana mit einem rätselhaften Blick. »Ich verstehe vollkommen, Sperber. Ich werde mich mit ein paar entsprechenden Worten an die Hierokratie wenden.« Er lächelte Ehlana an. »Ich bin sehr froh, daß es Euch besser geht, Majestät.«
»Danke, Eminenz«, erwiderte sie mit leiser, zittriger Stimme.
Emban kehrte zum Rednerpult zurück, während Sperber und Mirtai die Tribüne zu ihren Freunden hinaufstiegen. »Meine Brüder«, begann er. »Ich bin überzeugt, ihr freut euch mit mir, daß es Königin Ehlana wieder besser geht. Sie bat mich, an ihrer Stelle um Entschuldigung zu bitten für alles, was sie vielleicht während ihrer Ansprache gesagt haben mag. Der Gesundheitszustand der Königin ist noch immer nicht befriedigend, fürchte ich. Obwohl sie das wußte, hat sie die Mühen der Reise auf sich genommen, um an unseren Beratungen teilzunehmen.«
Ein Murmeln allgemeiner Bewunderung war zu vernehmen. »Es wäre angebracht«, fuhr Emban fort, »Ihre Majestät nicht mit Fragen über ihre Bemerkungen zu bedrängen. Sie hat keine Erinnerung an ihre Ansprache. Das ist bei ihrer geschwächten Gesundheit nur allzu erklärlich. Natürlich wäre auch noch eine andere Erklärung dafür möglich, aber ich finde, daß uns Weisheit und Rücksicht auf Ihre Majestät davon abhalten sollten, weiter darauf einzugehen.« Das war der Stoff, aus dem Legenden entstehen!
Dann schmetterten Fanfaren, und die Tür links vom Thron schwang auf. Dolmant, von Ortzel und Bergsten geleitet, trat ein. Der neue Erzprälat trug eine schlichte weiße Soutane, und sein Gesicht war nun ruhig. Ein eigenartiger Gedanke beschlich Sperber. Es bestand eine auffallende Ähnlichkeit zwischen Dolmants weißer Soutane und Sephrenias weißem Gewand. Dieser Gedanke führte ihn an die Schwelle von Überlegungen, die vielleicht schon ein wenig häretisch waren.
Die beiden Patriarchen, der eine von Lamorkand, der andere von Thalesien, geleiteten Dolmant zum Thron, der während ihrer Abwesenheit abgedeckt worden war, und der Erzprälat nahm darauf Platz.
»Wird Sarathi nun zu uns sprechen?« fragte Emban. Er trat hinter dem Rednerpult hervor und verbeugte sich tief.
»Sarathi?« fragte Talen Berit flüsternd.
»Das ist ein uralter Name«, erklärte Berit leise. »Als die Kirche vor dreitausend Jahren vereinigt wurde, hieß der erste Erzprälat Sarathi. Man gedenkt seiner und ehrt seinen Namen, indem man den Erzprälaten damit anredet.«
Dolmant saß ernst auf seinem goldenen Thron. »Ich habe diese Erhebung nicht begehrt, meine Brüder«, sagte er, »und ich würde mich wohler fühlen, wenn ihr sie mir nicht auferlegt hättet. Wir können nur hoffen – wir alle –, daß dies wahrlich Gottes Wille ist.« Er hob das Gesicht ein wenig. »Jetzt gibt es viel zu tun. Ich werde viele von euch berufen müssen, mich zu unterstützen, und, wie es immer der Fall ist, wird es zu Veränderungen hier in der Basilika kommen. Ich bitte euch, meine Brüder, fühlt euch nicht gekränkt oder niedergeschlagen, wenn kirchliche Ämter neu verteilt werden. Auch das war immer so, wenn ein neuer Erzprälat diesen Thron besteigt. Unsere Heilige Mutter sieht sich der ernstesten Herausforderung seit einem halben Jahrtausend gegenüber. Deshalb muß mein erster Schritt sein, die Glaubenskrise zu bestätigen, und ich verfüge, daß dieser Zustand bestehen bleibt, bis wir uns dieser Herausforderung gestellt haben und als Sieger hervorgegangen sind. Und nun, meine Brüder und teuren Freunde, laßt uns beten. Danach werden wir uns unseren mannigfaltigen Pflichten zuwenden.«
»Schön und kurz«, lobte Ulath. »Sarathi packt die Sache richtig an.«
»War die Königin wirklich nicht bei Sinnen, als sie die Ansprache hielt?« wandte Kalten sich neugierig an Sperber.
»Das kommt darauf an, was du unter ›bei Sinnen‹ verstehst!« schnaubte Sperber. »Sie wußte jedenfalls genau, was sie tat.«
»Ich dachte es mir fast. Ich glaube, deine Ehe wird ein steterBorn von Überraschungen werden, Sperber. Aber das ist schon richtig so. Das Unerwartete hält einen Mann in Schwung.«
Als sie die Basilika verließen, hielt Sperber Ausschau nach Sephrenia. Er fand sie in einem Seitengang im Gespräch mit einem Mann in Mönchskutte. Als der Mann sich umdrehte, erkannte Sperber jedoch, daß er kein Elenier war, sondern ein silberbärtiger Styriker. Der Mann verbeugte sich vor dem näher kommenden Ritter. »Ich verlasse
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