Elenium-Triologie
Ostpelosien und entlang der Grenze herumschlagen müssen, Sperber. Nicht einmal Otha kann diese Wilden an der Leine halten.«
»Gestattet Ihr, daß ich spreche, Sarathi?« bat Kring mit tiefster Hochachtung.
»Selbstverständlich, mein Sohn.« Dolmant wirkte ein wenig verwirrt. Er hatte nicht die leiseste Ahnung, wer dieser kriegerische Mann war.
»Ich kann Euch durch Ostpelosien bis tief nach Zemoch bringen, Freund Sperber«, versicherte ihm Kring. »Wenn die Zemocher weit verstreut sind, können meine Reiter mitten durch sie hindurchpreschen. Wir ziehen einen fünf Meilen breiten Streifen voller Leichen – natürlich alle ohne das rechte Ohr – von Paler bis zur zemochischen Grenze.« Kring grinste wölfisch und schaute sich selbstzufrieden um. Da entdeckte er Mirtai, die sittsam neben Ehlana saß. Seine Augen weiteten sich. Er wurde zuerst rot, dann blaß, dann seufzte er tief.
»Ich würde es an Eurer Stelle lassen«, warnte Sperber ihn.
»Was?«
»Das erkläre ich Euch später.«
»Ich gebe es nicht gern zu«, sagte Bevier, »aber dieser Plan gefällt mir immer besser. Es dürfte uns wirklich nicht allzu schwerfallen, Othas Hauptstadt zu erreichen.«
»Wir?« fragte Kalten.
»Wir kommen doch mit, Kalten, oder etwa nicht?«
»Ist der Plan überhaupt durchführbar, kleine Mutter?« fragte Vanion.
»Nein, Hochmeister Vanion, absolut nicht!« fiel Ehlana ein. »Sperber kann nicht nach Zemoch, um Azash mit dem Bhelliom zu töten, weil er nicht beide Ringe besitzt. Ich habe einen, und er bekäme ihn nur über meine Leiche!«
Das war ein Punkt, an den Sperber nicht gedacht hatte. »Meine Königin…«, begann er.
»Ich habe Euch nicht gestattet, zu sprechen, Ritter Sperber!« sagte sie förmlich. »Ihr werdet diesen nutzlosen und tollkühnen Plan nicht durchführen! Ihr werdet Euer Leben nicht wegwerfen! Es gehört mir , Sperber! Mir! Ihr habt die Erlaubnis nicht, es uns zu nehmen!«
»Das ist deutlich genug«, brummte Wargun, »und wirft uns zum Anfang zurück.«
»Vielleicht nicht«, sagte Dolmant ruhig. Er erhob sich. »Königin Ehlana, werdet Ihr Euch dem Willen unserer Heiligen Mutter Kirche fügen?« fragte er streng.
Sie blickte ihn trotzig an.
»Tut Ihr es?«
»Ich bin eine gläubige Tochter der Kirche«, antwortete sie verdrossen.
»Freut mich, das zu hören, mein Kind. Es ist der Wille der Kirche, ihr diesen Ring eine kurze Zeit anzuvertrauen, damit ein wichtiges Werk getan werden kann.«
»Das ist nicht recht, Dolmant«, rief sie anklagend.
»Wollt Ihr Euch der Kirche widersetzen, Ehlana?«
»Ich – ich kann nicht! «
»Gebt mir den Ring, Ehlana!«
Ehlana brach in Tränen aus. Sie umklammerte seine Arme und grub das Gesicht in seine Soutane.
»Gebt mir den Ring, Ehlana«, wiederholte er.
Sie schaute zu ihm auf und wischte sich trotzig die Tränen ab.
»Nur unter einer Bedingung, Sarathi«, entgegnete sie.
»Versucht Ihr, mit unserer Heiligen Mutter zu handeln?«
»Nein, Sarathi, ich gehorche lediglich einem ihrer Gebote. Sie weist uns an, zu heiraten, damit wir die Zahl ihrer Gläubigen vermehren. Ich werde Euch den Ring an dem Tag geben, da Ihr mich mit Ritter Sperber vermählt. Ich habe keine Mühen gescheut, ihn zu bekommen und bin nicht gewillt, auf die Früchte meines Wirkens zu verzichten. Wird unsere Heilige Mutter zustimmen?«
»Es erscheint mir recht und billig.« Dolmant lächelte Sperber väterlich zu, der die beiden anstarrte, während er wie eine Rinderlende verschachert wurde.
Ehlana hatte ein gutes Gedächtnis. Wie sie es von Platime gelernt hatte, spuckte sie in die Hand. »Abgemacht!« sagte sie.
Dolmant war weit genug herumgekommen, deshalb kannte er diese Geste. Auch er spuckte in die Hand. »Abgemacht«, antwortete er. Die beiden klatschten ihre Rechte zusammen und besiegelten Sperbers Geschick.
DRITTER TEIL ZEMOCH
19
Es war kalt im Zimmer. Die Hitze der Wüste verflüchtigte sich bei Sonnenuntergang, und gegen Morgen breitete sich trockene Kälte aus. Sperber stand am Fenster, als die samtige Nacht vom Himmel floh und die Schatten auf den Straßen sich in Gebäudewinkel und Eingänge zurückzogen, um einem blassen Grau zu weichen.
Da trat die erste Gestalt mit einem Tonkrug aus einer dämmrigen Gasse. Sie hatte die Kapuze ihres schwarzen Gewandes in die Stirn gezogen, und ein schwarzer Schleier bedeckte die untere Hälfte ihres Gesichts. Sie schritt mit einer solchen Anmut durch das bleiche Licht, daß Sperbers Herz sich verkrampfte. Dann
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