Elenium-Triologie
Nacht fanden sie Zuflucht in einer Höhle, und als sie am Morgen ins Freie traten, war der Himmel klar. Doch der Wind blies stärker und wirbelte Wolken des allgegenwärtigen Staubes auf.
Berit gehörte zu den jungen Männern, die ihre Pflichten sehr ernst nahmen. Er hatte sich, kaum daß der Morgen graute, draußen umgesehen, und kehrte gerade zurück, als die anderen sich am Höhleneingang versammelten. Beim Näherkommen konnten sie deutlich den Abscheu in seiner Miene sehen »In der Nähe sind Leute, Sperber«, meldete er, als er absaß.
»Soldaten?«
»Nein. Es sind alte Menschen dabei, auch Frauen und Kinder. Sie haben ein paar Waffen, aber offenbar können sie nicht so recht damit umgehen.«
»Was machen sie?« wollte Kalten wissen.
Berit hüstelte nervös und schaute sich um. »Ich möchte lieber nicht davon sprechen, Ritter Kalten. Und es wäre besser, wenn die erhabene Sephrenia sie gar nicht erst sieht. Sie haben eine Art Altar mit einem Idol aus Ton errichtet, und sie tun Dinge, die man nicht in der Öffentlichkeit tun sollte.«
»Sephrenia muß es erfahren«, entschied Sperber.
»Ich kann es ihr nicht sagen, Sperber.« Berit errötete. »Ich könnte ihr einfach nicht beschreiben, was die Leute tun.«
»Berichtet in groben Zügen, Berit. Ihr müßt Euch ja nicht in Einzelheiten verlieren.«
Sephrenia wollte es jedoch in allen Einzelheiten wissen. »Also, erzählt, was genau sie tun, Berit!«
»Ich wußte , daß sie es verlangen würde«, murmelte Berit vorwurfsvoll zu Sperber. »Sie – äh – sie opfern Tiere, erhabene Sephrenia. Und sie tragen keine Kleidung – nicht einmal in dieser Kälte. Sie schmieren das Blut der Opfertiere auf ihre Leiber und – äh…«
»Ich verstehe schon«, beruhigte sie ihn. »Ich kenne das Ritual. Beschreibt die Leute. Sehen sie wie Styriker aus? Oder wie Elenier?«
»Viele von ihnen sind blond, erhabene Sephrenia.«
»Ah. Dann weiß ich, was sie sind. Sie stellen keine große Gefahr dar. Das Idol ist jedoch eine andere Sache. Wir müssen es zerschmettern.«
»Aus demselben Grund, aus dem wir das Idol im Keller in Ghasek zerstören mußten?« fragte Kalten.
»Richtig.« Sie verzog das Gesicht. »Ich sollte das ja eigentlich nicht sagen, aber es ist nun mal so und darum sag' ich es: Die Jüngeren Götter haben einen Fehler gemacht, als sie Azash im Heiligtum bei Ghanda in das Idol aus Ton verbannten. Denn dieses Idol kann von Menschen nachgebildet werden, und mit Hilfe gewisser Rituale kann der Geist Azashs in diese Nachbildungen dringen.«
Die unbekleideten Zemocher in der Schlucht glänzten nicht gerade durch Sauberkeit. Ihr Haar war strähnig und verfilzt. Die nackten Anbeter schienen Bauern und Hirten zu sein. Sie kreischten vor Angst, als die Ritter in Kettenhemden in ihre Mitte stürmten. Daß die Angreifer als Zemocher getarnt waren, erhöhte ihre Verwirrung noch. Viele suchten kopflos das Weite.
Vier Zemocher trugen einfache Priestergewänder und standen vor dem Altar, auf dem sie soeben eine Ziege geopfert hatten. Drei dieser Priester starrten den Rittern mit offenen Mündern wie gelähmt entgegen, aber der vierte, ein Mann mit schmalem Kopf und dünnem Bart gestikulierte und stieß verzweifelt styrische Worte hervor. Er brachte eine Reihe von Erscheinungen zustande, die jedoch so ungeschickt geformt waren, daß sie eher zum Lachen reizten.
Die Ritter trotteten unbeeindruckt durch diese Erscheinungen und die kopflose Menge hindurch.
»Verteidigt unseren Gott!« schrillte der Priester, dem Schaum aus dem Mund geiferte. Doch seine Anhänger hielten es für ratsamer, ihm nicht zu gehorchen.
Das Tonidol auf dem primitiven Altar schien sich ganz leicht zu bewegen, wie ein ferner Berg in der flimmernden Hitze eines Sommertages zu tanzen und zu zittern scheint. Welle um Welle purer Bösartigkeit strahlte von der Figur aus, und die Luft war mit einemmal tödlich kalt. Sperber spürte, wie seine Kraft schwand, und Faran stockte. Plötzlich schien sich der Boden vor dem Altar aufzubäumen. Irgend etwas rührte sich unter der Oberfläche, etwas so Grauenvolles, daß Sperber vor Ekel den Blick abwandte. Der Boden hob sich, und Sperber spürte, wie eisige Furcht nach seinem Herzen griff. Das Licht begann vor seinen Augen zu schwinden.
»Nein!« rief Sephrenia durchdringend. »Laßt Euch nicht erschrecken! Es kann Euch nichts anhaben!« Sie sprach rasche styrische Worte, dann streckte sie die Hand aus. Was darauf erschien, glühte hell und war zuerst nur
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