Elenium-Triologie
wie angewurzelt stehen. »Hallo, Flöte!« grüßte er sie, und es hörte sich erstaunlicherweise gar nicht überrascht an.
Aphrael erwiderte seinen Gruß mit einem kurzen Triller und setzte ihre Melodie fort. Dann wallte der Nebel um den Baum, und als er sich auflöste, war sie verschwunden.
»Sie sieht gut aus, nicht wahr?« sagte Berit.
»Wie könnte es anders sein?« Sperber lachte.
Danach vergingen die Tage wie im Flug. Wenn sie sich vorher düster durch das Grau und den Schnee geschleppt hatten, ritten sie nun wie in Festtagsstimmung dahin. Sie lachten und scherzten und achteten kaum auf das Wetter, obwohl es nicht besser geworden war. Es schneite weiterhin jede Nacht durch, doch bis zum Mittag wurden die Flocken zu Regen, der den Schnee schmolz, so daß er sie nicht behinderte, auch wenn sie meist durch Matsch reiten mußten. Hin und wieder schallte Aphraels Flöte ermutigend durch den Nebel.
Mehrere Tage später sahen sie von einer Anhöhe aus die bleigraue Weite des Merjuker Meerbusens vor sich, halb verborgen durch Nebel und das eisige Nieseln. An der Küste unter ihnen kauerte sich eine beachtliche Zahl niedriger Häuser zusammen.
»Das muß Albak sein«, sagte Kalten. Er wischte sich übers Gesicht und spähte zu dem Städtchen hinunter. »Ich sehe keinen Rauch«, bemerkte er. »Nein, wartet. Aus einem Schornstein steigt welcher auf – dort, nahe der Stadtmitte.«
»Reiten wir hinunter«, sagte Kurik. »Wir müssen sowieso ein Boot stehlen.«
Albaks Straßen waren ungepflastert und mit einer hohen wäßrigen Schneeschicht bedeckt. Sie war völlig unberührt, was darauf hinwies, daß die Stadt unbewohnt war. Die dünne Rauchsäule, die sie vom Hügel aus gesehen hatten, kräuselte sich aus dem Schornstein einer niedrigen Hütte an einem Platz in der Stadtmitte. Ulath sog die Luft ein. »Dem Geruch nach eine Schenke«, meinte er.
Sie saßen ab und traten ein. Die Stube war lang und niedrig, mit rußigen Deckenbalken und modrigem Stroh am Boden. Es war klamm und roch muffig. Fenster gab es keine; nur ein armseliges Herdfeuer an der hinteren Seite spendete Licht. Ein Buckliger zerbrach mit dem Fuß eine Bank zu Feuerholz. »Wer ist da?« rief er, als sie eintraten.
»Reisende«, antwortete Sephrenia auf styrisch und ihre Stimme klang seltsam fremd. »Wir suchen für die Nacht ein Dach über den Kopf.«
»Sucht nicht hier«, knurrte der Bucklige. »Das ist mein Haus.« Er warf ein paar Stücke der zertrümmerten Bank in den offenen Herd, legte sich eine schmutzige Decke um die Schultern und setzte sich. Dann zog er ein kleines Bierfaß näher heran und streckte die Hände über die schwächlichen Flammen.
»Wir begeben uns gern anderswohin«, versicherte Sephrenia ihm. »Doch zuerst brauchen wir eine Auskunft.«
»Fragt jemand anders.« Er blinzelte sie an. Da erst sahen sie, daß er schielte und nahezu blind sein mußte.
Sephrenia ging über das faulige Stroh und stellte sich vor den unfreundlichen Buckligen. »Ihr seid offenbar der einzige hier.«
»Ja«, antwortete er mürrisch. »Alle anderen sind fort, um in Lamorkand zu sterben. Ich werde hier sterben, da brauche ich nicht so weit zu gehen. Und jetzt laßt mich in Ruhe.«
Sie streckte den Arm aus, hielt ihn vor sein stoppelbärtiges Gesicht. Das Abbild des Schlangenkopfes erhob sich züngelnd von ihrem Handteller. Der fast blinde Bucklige runzelte die Stirn und drehte das Gesicht einmal so, dann so, um erkennen zu können, was Sephrenia da hielt. Plötzlich schrie er erschrocken auf, kippte mit dem Hocker nach hinten und stieß gegen das Bierfaß, daß es auszurinnen begann.
»Ihr habt meine Erlaubnis, mir die Ehre zu erweisen«, sagte Sephrenia in unerbittlichem Tonfall.
»Ich – ich wußte ja nicht, daß Ihr eine Priesterin seid«, stammelte er. »Vergebt mir!«
»Wir werden sehen. Ist außer Euch niemand in der Stadt?«
»Nein, Priesterin – ich bin ganz allein. Ich bin zu verkrüppelt, als daß ich reisen könnte. Und ich kann kaum noch sehen. Man hat mich zurückgelassen.«
»Wir suchen eine andere Gruppe Reisender – vier Männer und eine Frau. Einer der Männer hat weißes Haar. Ein anderer sieht aus wie ein Tier. Habt Ihr sie gesehen?«
»Bitte, tötet mich nicht!«
»Dann redet!«
»Ein paar Leute sind gestern hier durchgekommen. Vielleicht waren es die, nach denen Ihr sucht. Sicher weiß ich es nicht, weil sie nicht nahe genug ans Feuer getreten sind, daß ich ihre Gesichter hätte sehen können. Aber sie haben
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