Elenium-Triologie
apfelgroß, doch als es in die Luft stieg, wuchs es und leuchtete immer stärker, bis es fast so aussah, als hätte Sephrenia eine kleine Sonne herbeibeschworen, die nun vor dem Idol schwebte. Die strahlende Kugel brachte eine so sommerliche Hitze mit sich, daß sie der tödlichen Kälte ein Ende machte. Der Erdboden glättete sich, und das Idol erstarrte zur Leblosigkeit.
Kurik lenkte seinen zitternden Wallach herbei und schwang seinen schweren Streitkolben. Der wuchtige Hieb zerschmetterte das gräßliche Idol, und die Scherben flogen in alle Richtungen.
Die nackten Zemocher wimmerten in tiefster Verzweiflung.
25
»Treibt sie zusammen, Sperber«, sagte Sephrenia und blickte schaudernd auf die nackten Zemocher. »Und bitte sorgt sogleich dafür, daß sie sich wieder ankleiden.« Sie betrachtete den Altar. »Talen, sammle die Scherben des Idols ein. Wir dürfen sie nicht hierlassen.«
Der Junge protestierte nicht einmal.
Unbewaffnete Nackte widersetzen sich üblicherweise nicht, wenn gerüstete Männer mit scharfem Stahl in den Fäusten Befehle erteilen, und so stand die Gruppe Zemocher rasch beisammen. Der Priester mit dem schmalen Kopf zeterte zwar immer noch, war aber darauf bedacht, den Angreifern keinen weiteren Grund zu geben, gegen ihn vorzugehen.
»Abtrünnige!« heulte er. »Schänder! Ich rufe Azash an, daß er euch…« Seine Worte endeten in einem Krächzen, als Sephrenia den Arm ausstreckte und der Schlangenkopf sich züngelnd aus ihrer Handfläche hob. Der Priester starrte auf das sich wiegende Abbild des Reptils, und seine Augen drohten aus dem Kopf zu quellen. Dann brach er zusammen und warf sich vor Sephrenia zu Boden.
Sie blickte sich streng um. Augenblicklich warfen sich auch die übrigen Zemocher fürchterlich stöhnend auf den Boden. »Verruchte!« knurrte sie in dem verkommenen zemochischen Dialekt. »Euer Ritus ist seit Jahrhunderten verboten! Wie konntet ihr es wagen, dem mächtigen Azash den Gehorsam zu verweigern?«
»Unsere Priester haben uns getäuscht, erhabene Priesterin«, stammelte ein Bursche mit zotteligem Haar. »Sie sagten uns, daß das Verbot unseres Rituals eine styrische Blasphemie sei. Sie sagten, daß es die Styriker unter uns sind, die uns von unserem wahren Gott trennen.« Er schien gar nicht zu bemerken, daß Sephrenia Styrikerin war. »Wir sind Elenier«, fuhr er stolz fort, »und wir wissen, daß wir die Auserwählten sind.«
Sephrenia warf den Ordensrittern einen Blick zu, der Bände sprach. Dann schaute sie das Lumpenpack schmutzstarrender ›Elenier‹ an, das vor ihr auf dem Bauch lag. Sie holte tief Luft, offenbar, um eine schreckliche Strafpredigt zu halten, statt dessen atmete sie bedächtig aus, und als sie schließlich redete, war ihre Stimme vollkommen ruhig.
»Ihr seid vom rechten Weg abgekommen«, sagte sie, »deshalb muß es euch verwehrt bleiben, Euren Landsleuten im Heiligen Krieg beizustehen. Begebt euch wieder nach Merjuk, oder wo immer ihr lebt, und wagt es nicht, je wieder an diesen Ort zu kommen. Meidet die Tempel Azashs, wenn ihr nicht wollt, daß er euch vernichtet!«
»Sollen wir unsere Priester hängen?« fragte der zottelige Bursche hoffnungsvoll. »Oder verbrennen?«
»Nein. Unser Gott will Anbeter, keine Leichen. Von nun an werdet ihr euch nur mit den Riten der Reinigung und der Versöhnung befassen und mit den Ritualen der Jahreszeiten. Ihr seid wie Kinder, und wie Kinder werdet ihr beten. Geht jetzt!« Sie streckte den Arm aus und der Schlangenkopf, der sich aus ihrem Handteller hob, richtete sich auf, schwoll an, wuchs und wurde mehr und mehr dem eines Drachen ähnlicher. Die Kreatur brüllte, und rußige Flammen schossen aus seinem Rachen.
Die Zemocher ergriffen kreischend die Flucht.
»Ihr hättet sie wenigstens mit diesem einen Kerl abrechnen lassen sollen«, meinte Kalten.
»Nein«, entgegnete sie. »Ich habe sie soeben auf den Pfad einer anderen Religion gelenkt, und diese Religion verbietet das Töten.«
»Sie sind Elenier, Erhabene Sephrenia«, wandte Bevier ein. »Ihr hättet sie anweisen sollen, den elenischen Glauben anzunehmen!«
»Mit all seinen Vorurteilen und Widersprüchen? Nein, lieber nicht. Ich habe ihnen einen barmherzigeren Weg gewiesen. – Talen, bist du fertig?«
»Ich habe alle Scherben, die ich finden konnte, Sephrenia.«
»Dann nimm sie mit.« Sie wendete ihren Schimmelzelter und führte die Gruppe von dem primitiven Altar fort.
Sie kehrten zur Höhle zurück, packten ihre Sachen ein und
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