Elenium-Triologie
Junge.
»Wem ist nach Laufen zumute?« Sperbers Blick wanderte über seine Freunde.
»Was meint Ihr, Tynian?« fragte Ulath. »Wie schnell schafft Ihr zweihundert Fuß?«
»Ebenso schnell wie Ihr, mein Freund.«
»Gut, dann kümmern wir uns darum, Sperber«, erklärte Ulath.
»Vergiß ja nicht, daß du mir Adus versprochen hast!« erinnerte Kalten Sperber.
»Ich werde versuchen, mein Versprechen zu halten.«
Sie schritten entschlossen zum fackelerhellten Eingang. Kurz davor hielten sie für einen Augenblick an; dann stürmten sie hinein. Ulath und Tynian rannten zur Haupttür. Überraschte und erschrockene Schreie erklangen, als die Ritter in den Thronsaal stürzten. Othas Soldaten schrien einander widersprechende Befehle zu, doch ein Offizier überbrüllte sie alle: »Beschützt den Kaiser!«
Die Gardisten in Kettenhemden, die an den Wänden postiert gewesen waren, überließen ihre Kameraden an den Türen sich selbst und beeilten sich, mit ihren Speeren einen Schutzring um den Thron zu bilden. Kalten und Bevier hatten die zwei Wachen an der Tür zum Küchenkorridor ohne Mühe erledigt, und Ulath und Tynian erreichten die Haupttür, noch bevor die beiden Wachen sie öffnen und Hilfe herbeirufen konnten. Die Posten fielen bereits unter den ersten Streichen, und sofort stemmte Ulath sich mit dem Rücken gegen die Tür, während Tynian hinter den Vorhängen nach dem Riegel tastete.
Berit schoß neben Sperber durch die Tür, sprang über die noch auf dem Boden zappelnden Wachen und stürmte mit erhobener Axt durch den Saal zur gegenüberliegenden Tür. Trotz seiner schweren Rüstung rannte er leichtfüßig über den polierten Boden und warf sich auf die zwei Gardisten, welche die Tür zu Othas Privatgemächern bewachten. Er stieß ihre Speere zur Seite und ließ seine Axt zweimal herabsausen.
Sperber hörte das metallische Klicken hinter sich, als Kalten den schweren Eisenriegel vorschob.
An die Flügeltür, gegen die Ulath sich stemmte, wurde heftig gehämmert. Dann fand Tynian endlich den Riegel und schob ihn vor. Berit verriegelte seine Tür ebenfalls.
»Gute Arbeit«, lobte Kurik. »Aber wir müssen erst noch an Otha heran.«
Sperber blickte auf den Ring von Speeren um den Thron, dann auf Otha. Wie Talen so bildhaft beschrieben hatte, sah der Mann, der den Westen die vergangenen fünfhundert Jahre in Furcht und Schrecken versetzt hatte, wie eine riesige hauslose Schnecke aus. Er war vom selben fahlen Weißgrau und völlig haarlos. Sein unheimlich aufgedunsenes Gesicht glänzte derart von Schweiß, daß man meinen konnte, es wäre mit Schleim überzogen. Sein Wanst war ungeheuerlich und ragte so weit nach vorn, daß seine Arme wie Stümpfe wirkten. Er starrte vor Schmutz, und außerordentlich kostbare Ringe steckten an seinen fetten schmierigen Fingern. So, wie er halb auf seinem Thron lag, konnte man meinen, er wäre dort hingeschleudert worden. Seine Augen waren glasig, und er zuckte krampfartig. Offenbar hatte er sich noch nicht von dem Schock erholt, den das Zerbrechen seines Zaubers verursacht hatte.
Sperber holte tief Luft, um sich zu beruhigen, dabei schaute er sich um. Der Saal hätte sich an Wert mit einer Schatzkammer messen können. Gehämmertes Gold überzog die Wände, und Perlmutt bedeckte die Säulen rundum. Die Bodenfliesen waren aus poliertem schwarzem Onyx, die Vorhänge an den Türen aus blutrotem Samt. Fackeln ragten in regelmäßigen Abständen von Halterungen an den Wänden, und links und rechts von Othas Thron standen riesige eiserne Kohlenbecken. Und schließlich fiel Sperbers Blick auf Martel.
»Ah, Sperber«, sagte der Weißhaarige höflich, »wie nett von euch, vorbeizukommen. Wir haben euch erwartet.«
Die Worte klangen beinahe gleichmütig, wenn man die leichte Nervosität außer acht ließ, die in Martels Stimme mitschwang. Er hatte sie nicht so bald erwartet, und ihr Sturmangriff hatte ihn völlig unerwartet getroffen. Er stand mit Annias, Arissa und Lycheas innerhalb des schützenden Speerrings. Adus munterte die Speerträger mit Fußtritten und Verwünschungen auf.
»Wir waren gerade in der Gegend.« Sperber zuckte die Schultern. »Wie ist es dir ergangen, alter Junge? Du siehst etwas mitgenommen aus. War es eine anstrengende Reise?«
»Sie war zu ertragen.« Martel verbeugte sich in Richtung Sephrenia. »Kleine Mutter«, grüßte er, und wieder klang seine Stimme, als er sich an sie wandte, eigenartig bedauernd.
Sephrenia seufzte, schwieg jedoch.
»Ich sehe, wir
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