Elenium-Triologie
sind alle hier«, fuhr Sperber fort. »Ich liebe diese kleinen familiären Treffen. Sie bieten uns die Gelegenheit, in Erinnerungen zu schwelgen.«
Sein Blick wanderte zu Annias, dessen untergeordnete Stellung gegenüber Martel nun unverkennbar war. »Ihr hättet in Chyrellos bleiben sollen, Exzellenz«, sagte er. »So ist Euch die ganze Aufregung bei der Wahl entgangen. Könnt Ihr Euch vorstellen, daß die Hierokratie Dolmant auf den Erzprälatenthron gesetzt hat?«
Ein Ausdruck der Qual huschte über das Gesicht des Primas von Cimmura. »Dolmant?« würgte er bestürzt hervor. In späteren Jahren wurde Sperber bewußt, daß seine Rache an dem Primas in jenem Augenblick vollkommen gewesen war. Der Schmerz, den diese schlichte Erklärung seinem Feind verursachte, ging über sein Verständnis. Das Leben des Primas von Cimmura zerfiel in diesem einen Augenblick zu Asche.
»Überraschend, nicht wahr?« fuhr Sperber unerbittlich fort. »Wirklich der letzte, mit dem man gerechnet hätte. Viele in Chyrellos sind überzeugt, daß Gott selbst seine Hand im Spiel hatte. Meine Gemahlin, die Königin von Elenien – Ihr erinnert Euch doch an sie, nicht wahr? Das hübsche blonde Mädchen, das Ihr vergiftet hattet – hielt eine Ansprache vor den Patriarchen, bevor sie mit der Wahl begannen. Sie hat ihn vorgeschlagen. Sie war erstaunlich beredt, aber es wird allgemein angenommen, daß Gott selbst aus ihrem Munde sprach – vor allem, wenn man die Tatsache bedenkt, daß Dolmant einstimmig gewählt wurde.«
»Das ist unmöglich!« krächzte Annias. »Ihr lügt, Sperber!«
»Ihr könnt Euch selbst überzeugen, Annias. Wenn ich Euch nach Chyrellos zurückgebracht habe, werdet Ihr genügend Zeit haben, das Sitzungsprotokoll zu studieren. Gegenwärtig rauft man sich dort um das Vergnügen, Euch vor Gericht zu stellen und hinzurichten. Das mag sich jahrelang hinziehen. Irgendwie ist es Euch gelungen, so gut wie jeden westlich der zemochischen Grenze zu beleidigen. Alle wollen aus diesem oder jenem Grund Euren Tod.«
»Jetzt bist du aber ziemlich kindisch, Sperber«, sagte Martel abfällig.
»Das bestreite ich nicht. Aber sind wir das nicht alle hin und wieder? Es ist wirklich bedauerlich, daß der Sonnenuntergang heute so mittelmäßig war, Martel, denn es war dein letzter.«
»Das trifft zumindest auf einen von uns beiden zu.«
»Sephrenia.« Es hörte sich wie ein rumpelndes, tiefes Gurgeln an.
»Ja, Otha?« fragte sie ruhig.
»Sagt Eurer einfältigen kleinen Göttin Lebewohl«, grollte der überfette Mann auf dem Thron in Altelenisch. Seine Augen waren nun wieder klar, doch seine Hände zitterten immer noch. »Eure unnatürliche Verbindung zu den Jüngeren Göttern geht zu Ende. Azash erwartet Euch.«
»Das bezweifle ich, Otha, denn ich bringe den Unbekannten mit. Ich fand ihn, lange ehe er geboren wurde, und er begleitet mich mit Bhelliom in der Hand. Azash fürchtet ihn, Otha, und Ihr tätet wahrlich gut daran, ihn ebenfalls zu fürchten.«
Otha sank tiefer in seinen Thron. Sein Kopf schien sich wie der einer Schildkröte in die Falten seines fetten Halses zu verkriechen. Aber seine Hand bewegte sich mit erstaunlicher Flinkheit. Ein Strahl grünlichen Lichts schoß aus ihr hervor, geradewegs auf die zierliche Styrikerin zu. Doch Sperber hatte mit so etwas gerechnet. Er hatte seinen Schild scheinbar gleichmütig mit beiden bloßen Händen gehalten, doch so, daß die blutroten Steine der Ringe fest auf den Stahlrand des Schildes drückten. Mit der Behendigkeit des geübten Kämpfers schob er den Schild vor seine Lehrerin. Der grüne Strahl traf den Schild und wurde von der glänzenden Oberfläche zurückgeworfen. Er zerriß einen Gardisten in einer lautlosen Explosion, die weißglühende Teile seines Kettenhemds über den ganzen Saal regnen ließ.
Sperber zog sein Schwert.
»Hören wir jetzt mit dem Unsinn auf, Martel?« fragte er düster.
»Ich würde dir ja den Gefallen tun, alter Junge«, erwiderte Martel, »aber Azash wartet auf uns. Du weißt ja, wie es so ist.«
Das Hämmern an der schweren Tür, die Tynian und Ulath bewachten, wurde heftiger.
»Begehrt da nicht jemand Einlaß?« fragte Martel interessiert. »Sei so nett, Sperber, und schau nach.«
Sperber kam näher.
»Bringt den Kaiser in Sicherheit!« befahl Annias den knapp bekleideten Burschen, die neben dem Thron kauerten. Mit geübter Eile schoben die Männer dicke Stangen in dafür bestimmte Öffnungen im edelsteinbesetzten Sessel, stemmten ihre
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