Elenium-Triologie
langweilige Theologie. Wenn ich aufpasse, verdiene ich genug, mir selbst Fleisch zu kaufen – oder was ich sonst will.«
»Ich sollte dich übers Knie legen!« drohte Kurik.
»Aber Vater!« Der Junge riß übertrieben erschrocken die Augen auf. »Das könntest du mir doch nicht antun!« Er lachte.
»Außerdem müßtest du mich dazu erst erwischen! Das ist die erste Lektion, die ich in meiner neuen Schule lernte. Möchtest du sehen, was für ein guter Schüler ich war?« Er griff nach seiner Krücke, umklammerte die Bettelschüssel und rannte davon. Sperber mußte zugeben, daß er sehr flink war.
Kurik fluchte.
»Vater?« fragte Sperber.
»Ich hab' dir doch gesagt, daß es dich nichts angeht, Sperber!«
»Seit wann haben wir Geheimnisse voreinander, Kurik.«
»Du läßt also nicht locker?«
»Ich? Pure Neugier, nichts weiter. Das ist eine Seite an dir, die ich nicht kannte.«
»Ich war vor einigen Jahren ein bißchen leichtsinnig.«
»So kann man es wohl auch nennen.«
»Deine klugen Bemerkungen haben mir gerade noch gefehlt, Sperber!«
»Weiß Aslade davon?«
»Natürlich nicht! Es würde sie sehr unglücklich machen, wenn ich es ihr erzählte. Ich schwieg, um ihr dieses Herzeleid zu ersparen. Das ist ein Mann seinem Weib doch schuldig, oder nicht?«
»Ich verstehe völlig, Kurik«, versicherte ihm Sperber. »War Talens Mutter denn so schön?«
Kurik seufzte und seine Miene wurde weich. »Sie war achtzehn und wie ein Frühlingsmorgen. Ich kam nicht dagegen an, Sperber. Ich liebe Aslade, aber…«
Sperber legte einen Arm um die Schultern seines Freundes. »So geht es manchmal, Kurik. Laß dich deshalb nicht von Schuldgefühlen verzehren.« Er richtete sich auf. »Sehen wir zu, daß wir die anderen einholen«, schlug er vor und schwang sich in den Sattel.
ZWEITER TEIL CHYRELLOS
10
Hochmeister Abriel, Ordensoberer der cyrinischen Ritter von Arzium, hatte den grünen Vorhang zurückgezogen und blickte aus dem Fenster von Vanions Studiergemach im Südturm des pandionischen Ordenshauses auf die Stadt Cimmura. Abriel war ein stämmiger Sechziger mit Silberhaar. Sein faltiges Gesicht mit den tiefliegenden Augen verriet keinen Humor. Er hatte bei ihrer Ankunft Schwert und Helm abgenommen, trug jedoch noch seine Rüstung und seinen blaßblauen Umhang. Als ältestem der vier Hochmeister überließen die anderen ihm den Vorsitz.
»Ich bin sicher, wir wissen jetzt über das meiste Bescheid, was sich hier in Elenien zutrug«, begann er, »aber es gibt noch ein paar Dinge, über die wir gern Näheres erfahren würden. Gestattet Ihr, daß wir Euch noch einiges fragen, Vanion?«
»Selbstverständlich«, versicherte ihm Vanion. »Wir werden alle unser möglichstes tun, Eure Fragen zufriedenstellend zu beantworten.«
»Gut. Wir waren uns früher in so mancherlei nicht einig, aber in dieser Lage wollen wir alle Unstimmigkeiten beiseite legen.« Wie alle Cyriniker bediente sich Abriel einer wohlüberlegten, förmlichen Sprache. »Ich denke, es wäre ratsam, mehr über diesen Martel zu wissen.«
Vanion lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Er war ein Pandioner«, erklärte er mit einem Hauch Traurigkeit. »Ich sah mich gezwungen, ihn aus dem Orden zu verweisen.«
»Das ist ein bißchen wenig, Vanion«, sagte Komier. Im Gegensatz zu den anderen trug der grobknochige Mann mit den kräftigen Schultern und Prankenhänden ein Kettenhemd statt des formellen Plattenpanzers. Wie die meisten Thalesier war der Hochmeister der genidianischen Ritter blond, und seine buschigen Brauen verliehen seinem Gesicht etwas Ungeschlachtes. Während er sprach, spielte er unentwegt mit dem Griff seines Breitschwerts, das vor ihm auf dem Tisch lag. »Wenn uns dieser Martel Schwierigkeiten bereitet, sollten wir alle soviel wie möglich über ihn wissen.«
»Martel war einer unserer Besten«, sagte Sephrenia leise. Sie saß in ihrem weißen Kapuzengewand, mit der Teetasse in der Hand, vor dem Feuer. »Er war ungemein bewandert in den Geheimnissen. Das war es wohl, was zu seiner Verfehlung führte, glaube ich.«
»Er war auch sehr geschickt mit der Lanze«, gestand Kalten wehmütig. »Auf dem Übungsplatz gelang es ihm regelmäßig, mich aus dem Sattel zu heben. Sperber war wahrscheinlich der einzige, der sich mit ihm messen konnte.«
»Worum handelt es sich bei dieser Verfehlung, von der Ihr spracht, Sephrenia?« erkundigte sich Hochmeister Darellon. Der Ordensobere der alzionischen Ritter von Deira war ein schlanker Mann
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