Elenium-Triologie
hereinkommt.«
»Wie würde er reagieren, wenn man ihn plötzlich enterbte und Lycheas Land und Titel bekäme?«
»Man würde seine Wutschreie bis nach Thalesien hören!«
Ein bedächtiges Lächeln zog über Sperbers Gesicht. »Ich kenne einen ehrlichen Richter in Vardenais, und diese Angelegenheit fiele unter seine Gerichtsbarkeit. Wenn der gegenwärtige Herzog den Fall vor Gericht brächte und wenn er die Erklärung der Kirche zur Unterstützung seiner Position vorlegte, würde der Richter doch zu seinen Gunsten entscheiden, oder nicht?«
Kalten grinste breit. »Er hätte gar keine andere Wahl.«
»Würde das Lycheas nicht quasi wieder die Legalität nehmen?«
Dolmant lächelte. Dann setzte er eine salbungsvolle Miene auf. »Beeilen wir uns, nach Demos zu kommen, meine Freunde. Ich verspüre ein plötzliches Bedürfnis, das Geständnis einer bestimmten Sünderin zu hören.«
»Wißt ihr was?« sagte Talen. »Ich habe mir bisher eingebildet, daß Diebe die hinterlistigsten Leute auf der Welt sind, aber verglichen mit Edlen und Kirchenherren sind wir armselige Stümper.«
»Was würde Platime in diesem Fall tun?« fragte ihn Kalten, als sie ihren Weg fortsetzten.
»Er würde Lycheas mit einem Messer durchlöchern.« Talen zuckte die Schultern. »Tote Bastarde können keinen Thron erben, richtig?«
Kalten lachte. »Ich muß zugeben, das hat etwas für sich.«
»Man kann Probleme nicht durch Mord lösen, Kalten«, sagte Dolmant mißbilligend.
»Aber Eminenz, wer spricht denn von Mord? Ordensritter sind Soldaten Gottes. Wenn Gott uns anweist, jemanden zu töten, ist das Glaubenssache, nicht Mord. Meint Ihr, die Kirche sähe eine Möglichkeit, Sperber und mir zu befehlen, Lycheas vor Gottes Gericht zu bringen – und Annias – und Otha, wenn wir schon dabei sind?«
»Auf keinen Fall!«
Kalten seufzte. »War ja auch nur so eine Idee.«
»Wer ist Otha?« erkundigte sich Talen neugierig.
»Wo bist du denn aufgewachsen, Junge?« fragte ihn Berit.
»Auf der Straße.«
»Selbst auf der Straße mußt du doch vom Kaiser von Zemoch gehört haben!«
»Wo ist Zemoch?«
»Wenn du in der Schule geblieben wärst, in die ich dich geschickt habe, wüßtest du es!« knurrte Kurik.
»Schulen langweilen mich, Kurik«, entgegnete der Junge. »Man hat monatelang versucht, mir das Alphabet beizubringen. Nachdem ich gelernt hatte, meinen Namen zu schreiben, war ich der Meinung, daß es genügte.«
»Deshalb weißt du nicht, wo Zemoch ist – oder weshalb Otha dich vielleicht umbringen wird.«
»Warum sollte mich irgend jemand, den ich gar nicht kenne, umbringen wollen?«
»Weil du ein Elenier bist!«
»Alle sind Elenier – außer natürlich die Styriker.«
»Der Junge hat noch viel zu lernen«, bemerkte Kalten. »Jemand sollte sich seiner annehmen.«
»Wenn Ihr gestattet, meine Herren«, sagte Berit gewählt – Sperber nahm an, hauptsächlich deshalb, weil der hochwürdige Patriarch von Demos anwesend war –, »ich weiß, daß Ihr mit dringlichen Angelegenheiten beschäftigt seid. Ich war nie mehr als ein einigermaßen guter Schüler in Geschichte, aber ich bin gern bereit, diesem Bengel zumindest das Wesentlichste in diesem Fach beizubringen.«
»Ich liebe es, diesem jungen Mann zuzuhören«, bemerkte Kalten. »Seine Ausdrucksweise ist eine wahre Freude.«
»Bengel?« entrüstete sich Talen.
Berits Miene blieb unbewegt. Mit fast gleichmütigem Rückhandschlag warf er Talen aus dem Sattel.
»Das erste, was du lernen mußt, junger Mann, ist Respekt vor deinem Lehrer. Stelle seine Worte nie in Frage!«
Wütend und mit einem kleinen Dolch in der Hand sprang Talen auf. Berit lehnte sich in seinem Sattel zurück und versetzte ihm einen so heftigen Tritt gegen die Brust, daß der Junge nach Luft rang.
»Findest du nicht auch, daß Lernen etwas Schönes ist?« wandte sich Kalten an Sperber.
»Und jetzt klettere wieder auf dein Pferd«, befahl Berit, »und paß gut auf! Ich werde dich hin und wieder prüfen, und wehe, wenn deine Antworten nicht stimmen!«
»Läßt du ihm das durchgehen?« fragte Talen seinen Vater hoffnungsvoll.
Kurik grinste nur.
»Das ist gemein!« beschwerte sich Talen, während er wieder aufsaß. Er wischte sich die blutende Nase ab. »Seht Ihr, was Ihr da getan habt?« wandte er sich anklagend an Berit.
»Drück einen Finger an die Oberlippe«, wies ihn Berit an, »und sprich nicht mehr ohne Erlaubnis.«
»Wa-as?« rief Talen ungläubig.
Berit hob die Faust.
»Na gut. Na gut.«
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