Elenium-Triologie
jegliche Art von Gefühlsduselei zu unterdrücken, doch obwohl er sich dagegen wehrte, berührten ihn gewisse Dinge manchmal tief.
Am Vormittag rief Kurik nach vorn: »Hinter uns ist ein Reiter, der es offenbar sehr eilig hat.«
Sperber zügelte Faran und drehte ihn herum. »Kalten!« sagte er.
»In Ordnung«, antwortete der blonde Mann und öffnete den Umhang, um den Schwertgriff schnell packen zu können.
Auch Sperber legte sein Schwert frei, und die beiden ritten mehrere hundert Meter zurück, dem Fremden entgegen, um ihn nötigenfalls aufzuhalten.
Ihre Vorsichtsmaßnahme erwies sich jedoch als überflüssig. Der Reiter war der junge Novize Berit. Er trug einen einfachen Umhang, und seine Hände und Handgelenk waren von der Kälte aufgerissen. Sein Pferd jedoch war schweißüberströmt und dampfte. Er zügelte es und kam im Schritt auf sie zu. »Ich habe eine Botschaft von Hochmeister Vanion für Euch, Ritter Sperber«, sagte er.
»Was gibt es?« fragte ihn Sperber.
»Der Königliche Rat hat Prinz Lycheas als ehelich anerkannt.«
»Er hat was?«
»Als die Könige von Thalesien, Deira und Arzium darauf beharrten, daß ein Bastard nicht Prinzregent sein könne, berief Primas Annias den Rat ein, und der erklärte den Prinzen für ehelich. Der Primas legte eine Urkunde vor, die besagte, daß Prinzessin Arissa mit Herzog Osten von Vardenais vermählt gewesen war.«
»Das ist absurd!« rief Sperber wütend.
»Genau das dachte auch Vanion. Die Urkunde schien jedoch echt zu sein, und Herzog Osten starb bereits vor Jahren; daher gab es keine Möglichkeit, die Behauptung zu widerlegen. Der Graf von Lenda prüfte das Pergament eingehend, und schließlich mußte auch er Lycheas anerkennen.«
Sperber fluchte.
»Ich kannte Herzog Osten«, warf Kalten ein. »Er war eingefleischter Junggeselle und hat ganz gewiß nicht geheiratet. Er galt auch als absoluter Frauenfeind!«
»Gibt es ein Problem?« erkundigte sich Patriarch Dolmant, der mit Sephrenia, Kurik und Talen ebenfalls umgekehrt war.
»Der Königliche Rat hat Lycheas für ehelich erklärt«, berichtete Kalten. »Annias hat dem Rat eine Heiratsurkunde von Prinzessin Arissa vorgelegt.«
»Wie merkwürdig«, murmelte Dolmant.
»Und wie gelegen«, fügte Sephrenia hinzu.
»Könnte das Dokument eine Fälschung sein?« fragte Dolmant.
»Ohne weiteres, Eminenz«, versicherte ihm Talen. »Ich kenne jemand in Cimmura, der Euch den unwiderlegbaren Beweis anfertigen könnte, daß der Erzprälat Cluvonus neun Gemahlinnen hat – darunter eine Trollin und eine menschenfressende Riesin.«
»Tja, jetzt ist es passiert«, sagte Sperber, »und es bringt Lycheas einen Schritt näher an den Thron, fürchte ich.«
»Wann ist das geschehen, Berit?« fragte Kurik den Novizen.
»Gestern, spätabends.«
Kurik kratzte sich am Bart. »Prinzessin Arissa ist im Kloster in Demos. Wenn Annias diese Idee erst kürzlich gekommen ist, weiß sie vielleicht gar nicht, daß sie verheiratet ist.«
»Verwitwet«, berichtigte Berit.
»Na gut, dann eben verwitwet. Arissa war stolz darauf, daß sie so gut wie mit jedem Mann in Cimmura geschlafen hat – verzeiht, Eminenz – und daß sie es unter ihren Bedingungen tat, ohne je vor den Traualtar zu treten. Wenn jemand es richtig anstellte, dürfte es nicht allzu schwierig sein, sie dazu zu bringen, eine Bestätigung zu unterschreiben, daß sie nie verheiratet war. Würde das den Triumph nicht trüben?«
»Wo hast du diesen Mann gefunden, Sperber?« fragte Kalten bewundernd. »Er ist unbezahlbar.«
Sperbers Gedanken überschlugen sich. »Ehelichkeit – oder Unehelichkeit – untersteht dem Zivilrecht, da es mit Erbrecht und dergleichen zusammenhängt. Die Hochzeitszeremonie ist jedoch immer Sache der Kirche, nicht wahr, Eminenz?«
»Ja«, bestätigte Dolmant.
»Wenn Ihr und ich diese Bestätigung, von der Kurik gerade sprach, von Arissa bekämen, wäre es da möglich, daß die Kirche eine schriftliche Erklärung ihres Ledigenstandes ausstellt?« Dolmant dachte darüber nach. »Es wäre sehr ungewöhnlich.«
»Aber es ist möglich?«
»Ich nehme es an, ja.«
»Dann könnte die Kirche Annias befehlen, seine gefälschte Urkunde zurückzuziehen, richtig?«
»Natürlich.«
Sperber wandte sich an Kalten. »Wer hat Herzog Ostens Ländereien und Titel geerbt?«
»Sein Neffe – ein Paradebeispiel von einem Dummkopf. Er ist ungemein beeindruckt von seinem Herzogtum, und er wirft das Geld schneller aus dem Fenster, als es
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