Elentaria Saga - Teil 1
Badezimmer gab es hier nicht, nur eine Toilette. Ich fand es unmöglich, mich nicht frisch machen zu können. Dafür gab es etwas zu Essen und das war mir dann doch noch viel wichtiger als nicht zu stinken, obwohl ich nicht einmal roch. Es hielt sich alles in guten Grenzen. Zumindestens für menschliche Nasen.
Beim Frühstückstisch angekommen aß ich alles, was mir zwischen die Finger kam, um meinen knurrenden Magen zu beruhigen. Zwar gab es hier nichts, was ich kannte, aber wenn man Hunger hat, isst man ja bekanntlich alles was einem vorgesetzt bekommt und ich aß wirklich alles, auch wenn ich es, wie eben schon gesagt, nicht kannte. Jacob sagte mir meist, ob es köstlich war oder nicht und ich hörte auf seine guten Ratschläge.
Nachdem Frühstück kehrten wir dem Lager dem Rücken zu und gingen in Richtung Wald. Wir gingen nicht lange, wobei der Schnee immer weniger wurde und ich langsam Grashalme und Blumen sehen konnte. Es war erstaunlich, so als wären wir gerade im Jahreszeitenstrudel, wo der Frühling den Winter ablöste. War das etwa auch Magie? Wie war das möglich? Ich konnte es einfach nicht begreifen. Immer wieder sah ich mich um, wollte am liebsten ständig Fotos machen, nur hatte ich nichts Geeignetes. Mein Handyakku war mittlerweile leer und hatte auch gar keinen Empfang.
>>Kommen wir Lothringen nah?<<, fragte ich.
>>Wir gehen gerade über die Grenze.<<, sagte Jacob. >>Du musst dir ab hier eines merken, mach nie laute Geräusche, versuche immer nur zu flüstern. Manche … Monster können sehr gut hören. Hast du verstanden, Klee?<<
>>Ja, alles kapiert. Nicht laut sein.<<
Jacob grinste mich an.
>>Genau.<<
Es war eigenartig, aber er hatte sich verändert, oder? Nur sehr langsam war es von statten gegangen, doch er hatte sich eindeutig verändert, war irgendwie netter geworden und … lag es an mir oder einfach nur daran, dass wir beide uns jetzt sympathischer waren oder … Oh Gott, er merkte, was ich für ihn empfand? Nein, dass merkte er nicht. Oder … doch?
Nach weiteren Metern zogen Jacob und ich unsere Jacken aus, weil es zu warm war und verstauten diese in seinem Rucksack. Die Jacken mussten wir mitnehmen, weil es nachts oft kalt hier wurde. Ich hätte sie auch zurückgelassen, denn wenn Jacob nachts ein Jaguar war, reichte mir seine Wärme schon aus zum kuscheln. Er war meine persönliche Heizung. Die Stiefel ließen wir währenddessen in einem hohlen Baum zurück und ich zog mir wieder meine Turnschuhe an. Ich war froh, endlich wieder normal gehen zu können. Die Stiefel und der hohe Schnee waren eindeutig zu anstrengend gewesen.
>>Sag mal, was ist dann für ein Turm dort drüben?<<, fragte ich und nickte mit dem Kopf in die Richtung. Zwischen den Bäumen zu sehen war ein alter Turm aus grauem Stein, der ein wenig schief wirkte (fast wie der Turm von Pisa), aber vor allem verlassen. Ich sah ein einziges Fenster ganz weit oben und von dort hing etwas Langes aus heraus. Ich konnte nicht erkennen, was es war.
Jacob sah erst den Turm an, dann mich schmunzelnd.
>>Ich dachte, du kennst dich mit den Märchen aus?<<
Ich stand auf.
>>Warte, ist das Rapunzels Turm?<<
>>Ja, ist es.<<
Ich schluckte vor Aufregung.
>>Ist sie noch drinnen?<<
>>Nein.<<
>>Dann hat der Prinz sie geholt?<<
>>Nein, auch nicht. Die Hexe hat den Prinzen in den Tod gestürzt und Rapunzel die Hexe. Danach brachte sie Zwillinge zur Welt. Ein Junge und ein Mädchen. Mit den Jahren starb Rapunzel, nur ihr Haar hängt noch hinaus und die Kinder steigen manchmal von dort hinab.<<
Ich blickte zum Turm.
>>Die armen Kinder.<<
Jacob schüttelte den Kopf.
>>Bestimmt nicht. Die Kinder sind Menschenfresser. Sie lauern hier im Wald und warten auf Beute. Falls du sie siehst, dann sag mir bescheid. Ich hoffe, du kannst noch gut rennen, Klee, denn sie sind sehr schnell. Und damit du sie erkennst, sie sind noch Kinder und … na ja, sehr entstellt.<<
Aus purer Angst klammerte ich mich an Jacobs Arm und starrte zum Turm.
>>Du hast Angst.<<, stellte er fest.
>>Du nicht?<<, fragte ich.
>>Ich bin ihnen schon oft begegnet.<<
>>Was? Und?<<
Jacob hob seinen Arm und zog den Ärmel hoch. In seinem Unterarm war ein Stück Fleisch heraus gerissen worden. Er sah dadurch auf furchtbare Art verstümmelt aus.
>>Es hat dich gebissen.<<
>>Das war das erste Mal. Seit dem bin ich ihnen schon ein paar Mal mehr begegnet und immer entkommen. Hab keine Angst, Klee, ich pass schon auf dich auf.<<
Da ich nun das Espenlaub im Wind - nein,
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