Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Elf Leben

Elf Leben

Titel: Elf Leben
Autoren: Mark Watson
Vom Netzwerk:
Pippa, die auf ihren kräftigen Schenkeln hockt und irgendein winziges Fleckchen von der Scheuerleiste kratzt.
    »Ich hab nur mal ein bisschen Grund reingebracht«, sagt sie. »Nächste Woche mach ich weiter.«
    Es gibt also eine nächste Woche, denkt Xavier, der – falls er überhaupt darüber nachgedacht hat – davon ausgegangen ist, dass er einen einmaligen Termin mit ihr vereinbart hat.
    »Hast du einen Staubsauger, Schätzchen?«
    »Ja – das heißt, nein. Die Frau unter mir hat einen. Den leihe ich mir immer.« Dieser Satz ist eine Übertreibung, was seine Vertrautheit mit Mels Staubsauger angeht: Es ist bestimmt schon ein Jahr her, dass er ihn sich das letzte Mal geliehen hat.
    »Ich hab eben schon mit ihr gesprochen, soll ich mal kurz runter und ihn holen?«
    In diesem Moment fällt Xavier ein, dass er gar kein Geld im Haus hat.
    »Ich geh schon«, sagt er, »ich muss aber auch noch los und, äh, Geld abheben, damit ich dich bezahlen kann. Was hatten wir noch mal …«
    »Ich nehme zwölf Pfund die Stunde. Zweieinhalb Stunden … das wären dreißig. Ist das in Ordnung?«
    »Ja, natürlich«, sagt Xavier peinlich berührt, weil er wieder daran erinnert wird, dass er jemanden dafür bezahlt, seine Hausarbeit zu erledigen. »Ich bin in zehn Minuten wieder da.« Beim Inder an der Ecke steht ein Geldautomat, wo eine Abhebung 1,75 Pfund kostet, jene Art moderner Wegelagerei, über die sich die Hörer in seiner Sendung beklagen.
    »Alles klar«, sagt Pippa und steht auf. Sie ist nur ein paar Zentimeter kleiner als Xavier. Sie trocknet sich die Hände an ihrem T-Shirt ab. »Weißt du, es gibt Leute, die werden ziemlich komisch, wenn’s ans Zahlen geht, und sagen dann Sachen wie: ›Davon war nie die Rede!‹ Oder sie gucken einen an, als ob man den Hals nicht voll kriegt oder so, oder als ob man sie verarschen wollte, wenn man überhaupt nach Geld fragt. Die eine Frau da, bei der ich putze, in Hammersmith, also, da brauche ich schon mal ein und eine Viertelstunde, bis ich überhaupt da bin, und die ist Pilates-Lehrerin, die muss ja wohl …«
    Xavier hört, wie Mel den kleinen Feuerwehrmann hereinholt, und wittert seine Chance zur Flucht.
    »Hey, warte mal«, sagt er, »da kommt gerade Mel, ich … ich geh mal schnell runter und frag sie wegen dem Staubsauger.«
    »Super.« Pippa wuselt immer noch herum, wischt über den Rand einer Obstschale mit einer einzelnen Orange darin. »Hör nicht auf mich, Schätzchen. Ich bin eine furchtbare Quasseltante.«
    Wieder muss sich Xavier ins Gedächtnis rufen, dass sie gerade mal so alt ist wie er, vielleicht sogar noch jünger, diese spleenige, zupackende und mitteilsame Besucherin, die ein bisschen redet wie eine Rentnerin. Mit einer weiteren vagen Geste der Entschuldigung huscht er zur Tür hinaus.
    Xavier lauscht dem Surren aus dem Inneren des Geldautomaten, der sich darauf vorbereitet, sein Geld auszuspucken, und ist ziemlich groggy. Aber die Wohnung, erinnert er sich, sieht traumhaft aus. Seine Laune bessert sich beim Gedanken daran, gleich zurückzugehen und den ganzen Tag in seinem generalüberholten Domizil für sich zu haben. Vielleicht wäre es tatsächlich eine gute Idee, wenn Pippa einmal die Woche vorbeikäme – falls er da überhaupt etwas mitzureden hat. Aber beim nächsten Mal, überlegt Xavier, als er wieder in die Bayham Road einbiegt, richte ich es vielleicht besser so ein, dass ich nicht da bin.

III Sie verabreden den nächsten Termin in einem kurzen Telefonat, in dem Pippa Zeit für Bemerkungen über den neuen amerikanischen Präsidenten, die Operation ihrer Schwester und die Wiedergabe eines Gesprächs findet, das sie diese Woche mitgehört hat: Frau eins – und das bleibt ganz sicher unter uns? Frau zwei – keine Sorge, außer der Putzfrau ist hier keiner. Frau eins – und wenn sie eine Putzfrau mit Verbindungen ist? Dann Kichern.
    »Und worum ging es?«, fragt Xavier mit zögerlichem Interesse, wie bei ihrer Geschichte mit der Rockband.
    »Ich hab nicht zugehört. Entschuldige bitte, aber scheiß auf die Tussen. Ich mach denen doch nicht die Freude, sie zu belauschen, wo sie mir ja noch nicht mal zutrauen, dass ich sie verstehe.« Nach einer Pause fügt sie hinzu: »Aber ich hab mitgekriegt, dass die eine ein Ekzem hat. Egal, ich plappere schon wieder. Bis nächstes Wochenende dann, Schätzchen.«
    »Ich freu mich«, sagt Xavier unbestimmt.
    Er hat an dem Samstag ein Scrabble-Turnier und wird Pippa die Schlüssel hinterlegen müssen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher