Elf Leben
der Anrufer, der zum Hörer gegriffen hat, um Informationen zu bekommen, findet nichts dabei, sich stattdessen selbst ausfragen zu lassen. Alles Weitere ist ein Kinderspiel. Was jetzt kommt, kann Ollie herunterleiern, ohne dazu sein Gehirn anzustrengen, das stattdessen damit beschäftigt wird, eine SMS an Sam zu tippen, auf diesem Klotz von einem Ersatzhandy, den er immer noch am Bein hat, verdammte Scheiße. Wenn der mir noch mal ins Gesicht haucht, muss ich kotze n …
Er sieht Sams Handy für eine Sekunde aufleuchten, liest die Belustigung in ihren grauen Augen. Genau das vermisst man, wenn man verheiratet ist, denkt er: jemanden zum Lächeln zu bringen, zu sehen, wie er auf Tricks reagiert, die der Partner schon tausendmal gesehen hat. Nagelneue Gefühle, roh und unverbraucht. Eine Nachricht von ihr kommt zurück. Sein Atem ist echt unglaublich, als hätte er Scheiße gefressen!
Olli prustet fast los, kann aber gerade noch einen neutralen Ton wahren.
»Prima, und wenn Sie mir jetzt noch eine E-Mail-Adresse nennen würden, an die ich weitere Informationen schicken kann? Dann kommen wir zu Ihrem persönlichen Anforderungsprofil.« Er knüpft an ihre letzte SMS an. Vielleicht steht er ja da drau f … soll ja so Leute gebe n … Irgendwie fühlt es sich noch besser an, dass sie die Wörter ganz ausschreiben, ohne Abkürzungen, ohne alberne Icons und Bildchen, das gibt dem Flirt etwas Eindringlicheres, lässt ihn sich weniger teeniehaft anfühlen. Er sieht, wie Sam grinst und eine Antwort tippt. Er hofft, dass sie das Thema perverse Gewohnheiten weiterspinnt, aber sie schreibt nur: Ich muss gleich kotzen! Seine arme Frau!
»Gut. Sie möchten also im Idealfall um die zweihundertfünfzigtausend Pfund investieren. Ich frage Sie jetzt etwas: Wenn ich das ideale Haus für Sie fände – Ihr absolutes Traumhaus –, wo läge dann Ihre Obergrenze? Zwei sechzig? Zwei fünfundsiebzig? Nur damit ich eine Vorstellung bekomme, in welchem Rahmen Sie sich bewegen.«
Ollie hat den Hörer unters Kinn geklemmt. Er gibt die Daten des Anrufers mit einem Finger ein und versucht, mit der anderen Hand eine SMS an Sam zu schreiben, auch wenn er zuerst eine SMS von jemand anders lesen muss. Er verflucht zum x-ten Mal dieses blöde Ersatzhandy mit seinen neunmalklugen Wortvorschlägen und der undurchsichtigen Menüführung. Als Rogers Frau könnte man sich nur selbst ohrfeigen, dass man nicht abgehauen ist, als man seinen Atem gerochen ha t …
Der Anrufer wirkt jetzt etwas genervt – dauert das noch lange? Während Ollie mit dem Daumen durch sein behelfsmäßiges Adressbuch scrollt, ist er gezwungen, sich wieder auf das Gespräch zu konzentrieren.
»Okay, David, hören Sie zu, ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wie wäre es, wenn ich Ihnen einfach einen Termin hier bei uns reserviere, statt Sie am Telefon auszuquetschen, und wir –«
Sein Herz macht einen Aussetzer. Für einen Moment fühlt es sich an, als wäre es verrutscht und würde wie ein loses Rädchen in einer Maschine herumrattern.
Er hat die SMS über Roger an Roger geschickt.
Ollie beendet das Telefonat so schnell wie möglich und legt den Hörer auf. Seine Hände zittern. Sam sieht seinen veränderten Gesichtsausdruck. Ollie drückt hilflos auf dem Handy herum, diesem blöden, schrottigen Scheißteil, dessen schleierhafte Funktionsweise ihn so verwirrt hat, dass es zu diesem verhängnisvollen Gehirnkurzschluss kam. Und es stand sogar sein Name dabei: Das muss sogar Roger verstehen. Ollie verflucht sich, das Handy, den Fettsack, der seinen BlackBerry geklaut hat, Roger, Sam, Nicola, aber am meisten noch einmal sich selbst.
Er ist wie besessen von dem Gedanken, Rogers Handy zu stehlen. Einer von ihnen könnte ihn ablenken, während der andere es klaut und die SMS löscht, aber nein, Roger wird es wie immer einstecken haben, in der verdammten Tasche seiner etwas zu kurzen Hose, die immer hochrutscht und den Blick auf seine hageren weißen Knöchel freigibt, und er wird die SMS genau jetzt in der Tasche haben, eine tickende Zeitbombe. Ollie ist übel. Er fährt sich mit seiner plötzlich trockenen Zunge über die Lippen und fragt sich, ob er auf wundersame Weise vielleicht doch noch irgendwie aus dieser Nummer rauskommt.
Am Samstagmorgen um halb zehn wird Xavier von einem heiseren Schrei von Jamie unter ihm geweckt und geht im Eckladen einkaufen, unter anderem ein paar weitere Teesorten für den Fall, dass Pippa eine Vorliebe für Pfefferminz oder so hat. Er
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