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Elf Leben

Elf Leben

Titel: Elf Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Watson
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ihn ist sie ein Priester im Beichtstuhl. Ihr dritter Klient vor dem Mittagessen kommt zwanzig Minuten zu spät, deshalb kommt Maggie erst um halb zwei zum Essen. Vor dem Pilates-Kurs schlingt sie schnell einen Thunfischsalat hinunter.
    Während Maggie zum Fitnessstudio eilt, versucht Pippa zu ergründen, warum der Staubsauger nicht funktioniert. Sie hockt sich daneben, drückt ein paar Mal auf den Knopf, nimmt den Schlauch ab und steckt ihn wieder daran und versucht es noch einmal. Sie hat das Gefühl, als müssten die Gedanken in ihrem Gehirn durch eine Schicht nassen Beton waten.
    Die Vermieterin räuspert sich.
    »Sie haben vergessen, den Stecker einzustecken.«
    Pippa steht langsam auf und wird rot.
    »Stimmt, das habe ich.«
    Die Dame lächelt höflich, beäugt sie aber durch ihre Brille, als überlege sie, ob diese Putzfrau durch ihre Inkompetenz eine Gefahr darstellt.
    »Normalerweise hab ich mehr drauf als heute!«, sagt Pippa und lacht.
    Die Vermieterin lächelt noch einmal dünn, nickt wie eine Grundschullehrerin angesichts eines hinterherhinkenden Kindes und geht dann in die Vorhalle mit dem riesigen schalenförmigen Regency-Kronleuchter und der Treppe, auf der dicker Teppichboden liegt. Pippa wünschte, sie hätte etwas zum Frühstück gegessen, oder gestern zum Abendessen.
    Maggie kommt etwas später als erwartet aus ihrem Pilates-Kurs – es ist einer dieser Tage, an denen die Zeit immer ein Stück weiter ist, als sie sollte – und trifft gehetzt im Soho Hotel zu der Nachmittagskonferenz ein. Obwohl sie schon mal in dem Hotel war, geht sie in jede Richtung erst einmal daran vorbei, bevor sie es findet, etwas zurückgesetzt auf einem kleinen Platz an der Dean Street. Der Wind peitscht gegen die Passanten, und in der grauen Luft hängen Regennester. Maggie soll einen Vortrag über »Neue Entwicklungen im neurolinguistischen Programmieren« halten, ein beunruhigend weit gefasstes Thema, und sie wird so gut wie möglich bluffen müssen. Es war nicht viel Zeit zur Vorbereitung; es ist nie Zeit für irgendetwas.
    Die Delegierten drängen sich in der Hotellobby; viele haben sich bereits in den stickigen Konferenzsaal begeben. Maggie sieht ihren Namen auf dem laminierten Aushang mit der Tagesordnung für den Nachmittag, und ihre Eingeweide ziehen sich zu einem lockeren Knoten zusammen. Sie geht zur Damentoilette, aber es ist voll, fünf Frauen stehen Schlange und blicken verdrießlich auf ihre Schuhspitzen, und die Zeit reicht nicht mehr. Sie hätte nach dem Pilates-Kurs gehen sollen. Sie dreht wieder um, zieht ihre dürftigen Notizen aus der Tasche und geht Richtung Konferenzsaal, auf den Lippen ein gezwungenes Lächeln, als jemand sie am Arm packt, um sie zu begrüßen.
    Xavier ist überrascht, als Pippa ihn am späten Nachmittag anruft – er dachte, es wäre Murray, der mit ihm für »Murrays Nachtgedanken« »ein paar Sachen durchquatschen« will. Er sieht den Namen auf dem Display: PIPPA PUTZFRAU . Wird langsam Zeit, dass ich diesen Zusatz lösche, denkt er. Ich glaube, ich vergesse nicht mehr, wer sie ist.
    »Pippa?«
    »Hallo. Tschuldige, ist ziemlich laut hier. Wegen den Monstertrucks. Sie fahren gerade die Trucks rein.«
    »Was?«
    »Kennst du Monstertrucks? Wo sie mit so Riesentrucks in der Arena rumfahren und immer in irgendwas reinkrachen oder Kunststücke machen oder Rampen hochfahren oder –«
    »Ja, ja, Monstertrucks«, kommt Xavier gerade so dazwischen, »aber was machst du da?«
    »Ich putz den Konferenzraum, wo die hohen Tiere Mittag essen, also die Leute, denen die Trucks gehören. Hab mich gerade mal kurz abgeseilt.« Im Hintergrund wimmert es mechanisch, dann tost ein Wind. »Arschkalt heute, was!«
    »Ich war noch gar nicht richtig draußen«, murmelt Xavier.
    »Na jedenfalls, warum ich anrufe, Schätzchen, ich muss am Samstagmorgen mit meiner Schwester zum Arzt, ich glaub, ich schaff’s nicht.«
    Xavier spürt einen kleinen, aber deutlichen Stich der Enttäuschung.
    »Kein Problem. Sollen wir was Neues ausmachen, oder …?«
    »Die Sache ist, ich bin total ausgebucht. Ich meine, ich könnte nur noch Samstagabend, aber –«
    »Samstagabend passt, wenn es dir auch passt.«
    Sie zögert ein paar Sekunden.
    »Ich dachte, da gehst du schick aus oder –«
    »Warum sollte ich denn schick ausgehen?«
    »Was weiß ich, oder du arbeitest oder –«
    »Samstagabends arbeite ich nicht.«
    Es ist ein Date, so etwas in der Art jedenfalls. Sie sind beide überrascht, dass sie zugesagt

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