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Elf Leben

Elf Leben

Titel: Elf Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Watson
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zusammenarbeiten würden, von denen Sie … die noch mehr aus Ihnen herausholen würden.«
    Xavier braucht einen Augenblick, um zu begreifen, was das wirklich bedeutet.
    »Murray ist, äh, er ist ein sehr wichtiger …«
    »Natürlich. Ich weiß, dass Sie beide ein sehr gutes Verhältnis zueinander haben«, sagt Quillam mit betontem Respekt. »Aber vielleicht könnten Sie das an einem oder zwei Abenden bei Late Lines weiterführen, während Sie neue Freundschaften zu … zu anderen Talenten unseres Senders knüpfen.«
    Xavier weiß schon, woher der Wind weht; in Quillams Stimme schwingt derselbe sanfte Appell an die Vernunft mit, mit dem es schon viele andere in ähnlichen Gespräche versucht haben. Sieh mal, ganz im Ernst, sagt dieser Unterton, Murray ist ja lieb und nett, und er ist dein Freund und alles, aber er hat es einfach nicht drauf. Du musst dich weiterentwickeln.
    »Ich wäre vorsichtig«, beginnt Xavier, »also, ich würde nur sehr ungern weniger mit Murray zusammenarbeiten.«
    »Vielleicht könnte Murray Ihnen ja weiterhin helfen, die Sendung zu schreiben und vorzubereiten?«, schlägt Quillam diplomatisch vor.
    Aber Xavier zuckt zusammen, als er sich vorstellt, wie Murray darauf reduziert wird, seine Ideen auf liniertes Schreibpapier zu kritzeln – Ideen, die nur allzu schnell abgetan werden –, und zusehen muss, wie ein jüngerer, redegewandterer Sprecher seinen Platz auf dem Ko-Moderatorensessel einnimmt. Vielleicht wird jemand anderes als Produzent eingesetzt, sodass Murrays Rolle immer weiter zusammenschrumpft, bis seine Aufgabe praktisch nur noch darin besteht, Xavier abzuholen und wieder nach Hause zu fahren.
    »Ich glaube, ich möchte wirklich nicht …«
    Quillam sieht Xavier eindringlich an, und in seinen Augen flackert ein Killerinstinkt auf – der gleiche Ausdruck, der über das Gesicht von Xaviers Scrabble-Gegner Vijay huscht, wenn er zu einem vernichtenden Schlag ausholt.
    »Um noch offener zu Ihnen zu sein«, sagt Quillam und berührt Xavier für einen Moment am Ellbogen, als müsste er ihm gleich eine beunruhigende Neuigkeit mitteilen, »viele Leute haben ihre Bedenken wegen Murray. Das kann Ihnen nicht entgangen sein.«
    Sie stehen dort schweigend für einen Moment, und Xavier sammelt Kraft für eine Widerlegung. Nebenan lässt ein Barmädchen ein Tablett mit Gläsern fallen, die auf dem Steinboden zerspringen und das übliche ironische Beifallsgejohle der Gäste nach sich ziehen. Das Mädchen lächelt tapfer und holt Kehrschaufel und Handfeger. Am anderen Ende der Stadt, in Chelsea, wurde erst vor ein paar Minuten ein Glas aus derselben Fabrik in Stoke-on-Trent zerbrochen, von dem Barmann, der in Edith Thorne verliebt ist. Er wartet immer noch auf ein Zeichen von ihr und kann sich auf nichts anderes konzentrieren.
    »Hören Sie, ich weiß, dass Sie Murray und Ihren Hörern gegenüber sehr loyal sind, aber, was soll ich sagen, manchmal ist die Zeit eben reif für Veränderungen. Man muss weitergehen.« Quillam gibt sich immer noch kameradschaftlich und respektvoll, aber in seinen Worten schwingt jetzt etwas leicht Drohendes mit.
    »Aber ich werde Murray nicht einfach so im Stich lassen«, sagt Xavier.
    Quillam hustet, wirft den Zigarettenstummel weg, nickt und klopft Xavier auf den Rücken; er hat den Fußbreit Boden gewonnen, um den es ihm ging.
    »Natürlich, natürlich. Ich bewundere Ihre … Ihre ganze Einstellung. Aber denken Sie mal darüber nach. Ich bin mir sicher, es gibt eine Möglichkeit.«
    Sie gehen zurück in den Pub. Nach ein paar Schritten bleibt Quillam abrupt stehen, irgendetwas ist los. Xavier folgt seinem Blick und erstarrt vor Schreck. Murray, der sich im Laufe der letzten Stunde abgefüllt hat bis Oberkante Unterlippe, hockt neben dem Barmädchen und redet hoffnungslos plump auf sie ein, während sie die Scherben zusammenkehrt. Die Zuschauer tauschen amüsierte oder geringschätzige Blicke aus.
    »Brauchst du wirklich keine Hilfe?«, fragt Murray mit einer Stimme wie ein zu lauter Popsong. »W-wie wär’s mit dem … dem starken Arm eines Mannes?«
    »Lass es«, warnt ihn jemand.
    Murray zeigt dem Fremden zitternd den Stinkefinger, und dessen Kumpels brechen in entsetztes Gelächter aus. Das Barmädchen wendet sich ab, legt den Handfeger weg und beginnt, die kleinsten Glassplitter von Hand aufzusammeln.
    »Dann la-lass mich doch w-wenigstens, gib mir doch wenigstens die Gelegenheit , die, äh, deine Kehrschaufel zu tragen«, lallt Murray.
    Wieder folgt

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