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Elf Leben

Elf Leben

Titel: Elf Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Watson
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kontrollierte seinen Pass. Sie sah ihn an, zweimal, dreimal und blickte zwischen ihm und seinem schwarzweißen Abbild hin und her. Clives Herz flatterte; er hatte immer versucht, Ärger aus dem Weg zu gehen.
    »Es ist kein besonders gutes Foto …«
    »Nein, nein, es ist prima«, sagte das Mädchen, auf dessen Namensschild Angela Pickering stand. »Ich dachte nur gerade, dass Sie ein schöner Mann sind.«
    Nichts auf der Welt hätte ihn darauf vorbereiten können, und er hatte keine Ahnung, was er antworten sollte, aber zum Glück ließ ihm Angela Pickering gar keine Gelegenheit und fragte: »Treffen wir uns in zwei Stunden, wenn ich hier fertig bin?«
    Damals war alles einfacher, so hat es Clive jedenfalls in Erinnerung: Sie trafen sich ein Jahr lang – gingen ins Kino, zum Tanz, in Parks und Museen, immer war es ihre Idee –, und dann heirateten sie. Als sie den Schleier hob, glitzerten Tränen auf ihren Wangen, und er küsste sie, als der Pfarrer es sagte. Dann schnitten sie die Hochzeitstorte an und fuhren nach Norfolk.
    Vielleicht stimmte es nicht, dass ›damals‹ alles einfacher war, vielleicht war nur mit Angie alles sehr einfach, weil sie mit ihrem impulsiven Wesen in Windeseile Entscheidungen traf, mit denen sich jeder andere länger aufgehalten hätte. Sie kauften ihr Haus, nachdem sie nur einen einzigen Rundgang gemacht hatten. Angie sprang von Job zu Job und schließlich, als sie ihm das Brötchenverdienen überließ, von Hobby zu Hobby: Glasbläserei, Jazzpiano, Kreuzstichsticken. Einmal kam er nach Hause, und sie hatte zwei Chinchillas gekauft. Sie lachte, als er entsetzt einen Schritt vom Käfig zurücktrat.
    »Warum in aller Welt hast du zwei Chinchillas gekauft?«
    »Ich konnte nicht bloß eins kaufen. Sie vereinsamen so ganz allein.«
    Gegensätze ziehen sich an, heißt es, und das mag auch stimmen, aber für die lange Strecke einer Beziehung sind Ähnlichkeiten hilfreicher. Angies spontane Einfälle und Clives akribische Pläne führten ein paar Jahre lang eine erstaunlich friedliche Koexistenz, aber irgendwann begann es zu knirschen. Die beiden stritten sich nie, sondern rutschten bloß sehenden Auges, aber hilflos, in einen Sumpf, in dem allein im Jahr zuvor drei oder vier andere Paare aus ihrem Bekanntenkreis versunken waren. Clive hasste es, Angie unglücklich zu sehen, dieses Gefühl stand ihr so schlecht zu Gesicht, und er war fast erleichtert, als sie, impulsiv wie immer, mit einem Mann schlief, den sie im Supermarkt kennengelernt hatte, und dann mit einem Mann von der Post, und mit sehr wenig Verbitterung begannen jene Verhandlungen, die damit endeten, dass Clive das Haus behielt und Angie irgendwo in Afrika ein neues Leben begann. Clive, der kaum geglaubt hatte, wie einfach es war zu heiraten, war nun sprachlos darüber, in Formulare geschieden eintragen zu müssen.
    Der Niedergang der zweiten Ehe folgte einem noch traditionelleren Muster. Sie begann damit, dass die beiden – Clive und Polly, ebenfalls Mathelehrerin, sie lernten sich auf einer Konferenz kennen – einsam, geschieden und übereifrig auf der Suche nach Zweisamkeit waren, führte über ein paar gemeinsame Unternehmungen zum Standesamt und endete nach einem anderthalbjährigen Kleinkrieg damit, dass die beiden erneut einsam und geschieden waren und voller Groll ob der finanziellen Regelung, die sie beide als blanken Hohn empfanden. Clive war plötzlich vierzig. Er hatte viel von seinem Haar verloren, ebenso wie den Großteil seiner Leidenschaft für den Beruf und zwei Frauen, wobei sich die beiden Ehen im Nachhinein eher wie etwas anfühlten, das ihm passiert war, als etwas, das er selbst getan hatte.
    Zum Zeitpunkt seiner dritten Ehe – mit einer Frau namens Marjorie, die ihm sechs Monate, nachdem sie sich auf einer Party kennenlernten, einen Antrag machte, ihn dann ziemlich schnell satt hatte und die heute in einer lesbischen Kommune lebt –, kam es Clive allmählich vor, als ließe sich sein Leben ganz generell eher als ein Prozess zusammenfassen, dem er unterworfen war, ein Streich, der ihm gespielt wurde, statt als Kette von Ereignissen, die er in irgendeiner Weise beeinflussen konnte. Es war ganz sicher die Idee eines anderen, nicht seine eigene, dass er als Mathelehrer mit einer Reihe von gescheiterten Beziehungen in einer nichtssagenden Doppelhaushälfte in Hertforshire enden sollte – unter den verbleibenden Möglichkeiten noch das kleinste Übel. Nicht, dass er sich vom Pech verfolgt oder in

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