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Elf Leben

Elf Leben

Titel: Elf Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Watson
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nicht«, sagt Pippa und schnaubt. »Weißt du, sie könnte sich wahrscheinlich jedes Mal ein neues Haus kaufen, wenn das alte dreckig geworden ist.«
    »Woher hat die Frau denn das ganze Geld?«, fragt Xavier und klingt, ohne dass es ihm bewusst ist, genau wie seine Mutter. Er hört Pippa am anderen Ende der Leitung ärgerlich seufzen: In ihren Augen ist es müßig zu fragen, woher die Leute ihr Geld haben, manche haben es einfach und andere müssen etwas tun, um es von ihnen zu bekommen.
    »Aber es ist echt ärgerlich, dass du dort putzen sollst, obwohl sie gar nicht da ist.«
    Es ist hilfreich gemeint, trifft aber offenbar wieder den falschen Ton.
    »Das ist nicht ärgerlich . Ich kann von Glück sagen, dass sie so blöd ist und mich bezahlt. Ich brauch das Geld.« Zornig leckt ihr Akzent das ›e‹ von ›bezahlt‹ auf.
    Im Laufe des Gesprächs, geführt vor einer akustischen Tapete aus Busgeräuschen – gereizte Stimmen, Türen, die sich quietschend öffnen, und das Seufzen der Hydraulik wie von einer alternden Lunge –, wird klar, dass Pippa heute keine Zeit für Xavier hat und ihm auch für morgen nicht fest zusagen kann. Er hat das Gefühl, seit er ihre Nummer gewählt hat, permanent zurückzurudern, und spürt, wie das Leuchten des Tages verblasst.
    Es ist an der Zeit für ein weiteres Wagnis.
    »Warum kann ich nicht einfach mit dir kommen?«
    »Was?«
    »Sag mir, wo du arbeitest, und ich komme vorbei und helfe dir.«
    »Ich glaub, ich will nicht, dass du mich bei der Arbeit siehst, Schätzchen.«
    »Ich hab dich doch schon bei der Arbeit gesehen. Schon vergessen? Du hast in meiner Wohnung geputzt.« Aber diese Erinnerung hat immer noch etwas Beschämendes, und er wird zögerlicher.
    »Na gut«, sagt Pippa schließlich mit einem tiefen Seufzer (›wenn du unbedingt willst‹), und plötzlich schöpft Xavier neuen Mut. »Na schön. Wenn du so hirnverbrannt bist, hier in dieses Scheiß-« – ihre Stimme wird um einiges leiser – »nach Marylebone zu kommen, nur um mich mit Handfeger und Kehrschaufel auf den Knien rumrutschen zu sehen, dann sei mein Gast.«
    Xavier grinst.
    »Super. Ich komme.«
    »Er ruft also so oft in der Sendung an, bis du glaubst, er könnte gefährlich sein, und dann sagt er, er will sich einen Strick nehmen und …«
    »Das hat er nur so angedeutet.«
    »Deutet an, er will sich einen Strick nehmen – da, halt mal – und du denkst dir, fahr ich am besten mal mitten in der Nacht zu ihm hin?«
    »Na ja, ich wusste nicht genau, ob es das Beste ist, aber es … es hat offenbar funktioniert.«
    »Da, halt mal.«
    Pippa rüttelt mit dem Schlüssel im Schloss und flucht leise, »Scheiß Sicherheitsschloss, Scheißtür.« Xavier steht daneben, den blau-gelben Wäschesack bleischwer in den Händen (wie zum Teufel schleppt sie den bloß überall hin?), und merkt, dass er die Geschichte besser erzählt hätte, wenn Pippa gerade nicht abgelenkt ist: Sie bekommt nicht viel davon mit. Die Tür schwingt auf, und sie stehen in einer großzügigen, prunkvollen Eingangshalle. Zu ihrer Rechten führt eine mit dickem Teppichboden belegte Treppe nach oben, und über ihren Köpfen funkelt ein riesiger Kronleuchter.
    »So, da wären wir.«
    Sie stehen im Flur, und Pippa betrachtet die holzgetäfelten Wände, den teuren Marmorfußboden und die hohen Bögen über den Türen mit so etwas wie Zuneigung: die seltsame Zuneigung des Jägers zu seiner Beute.
    »Gut. Ich fang mit dem Wohnzimmer an. Dann hab ich das Schlimmste schon mal hinter mir.«
    »Das war übrigens ernst gemeint, dass ich dir helfen will. Was soll ich machen?«
    Sie sieht ihn an, die blauen Augen amüsiert und hochmütig.
    »Glaubst du im Ernst, du bist auf dem Qualifikationslevel, das wir in diesem Unternehmen erwarten?«
    »Ah, Madame ist jetzt ein ›Unternehmen‹.«
    Pippa versetzt ihm einen spielerischen Faustschlag gegen den Arm, der, da sie seinen Knochen erwischt, kaum weniger schmerzt als ein nicht spielerischer. »Weißt du noch, wie deine Wohnung aussah, bevor ich kam?«
    »Ja, und ob, bald sieht sie nämlich wieder genauso aus.«
    »Genau. Versifft . Glaubst du, ich kann’s mir leisten, auch nur ein Fitzelchen von der Wohnung hier versifft zu hinterlassen? Die Frau ist eine wichtige Kundin.«
    »Dann lass mich wenigstens staubsaugen oder so. Staubsagen kann jeder.«
    »Von wegen, staubsaugen kann jeder. Da könntest du genauso gut sagen, jeder kann Klavier spielen.«
    »Gib mir eine Probezeit.«
    Pippa schüttelt

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