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Elf Zentimeter

Elf Zentimeter

Titel: Elf Zentimeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Scheiblecker
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laut lachend, dass sie völlig pleite sei.
    »Ich habe keinen Cent mehr«, sagte sie.
    Es war ihr offensichtlich kein bisschen unangenehm. Ich fragte mich ärgerlich, ob ich wie ein Idiot aussah, der sich alles gefallen ließ.
    »Wenn du willst, blase ich dir einen«, sagte sie da.
    Sie grinste weiter.
    Etwas ratlos betrachtete ich sie im Rückspiegel. Sie sah nicht aus wie jemand, der Geldprobleme hat. Mir dämmerte, dass sie ein Spiel spielte. Vermutlich war der Abend für sie nicht wunschgemäß gelaufen. Vermutlich war sie in der Disco keinem Alphamann mit Conan-Physiognomie begegnet, und jetzt hatte sie Lust auf diese Art von Sex. Vielleicht war sie auch unglücklich verliebt wie ich in Sabine. Vielleicht wollte sie einfach etwas erleben, das sie am nächsten Tag ihren Freundinnen erzählen konnte. Oder ich gefiel ihr. Auch das war theoretisch möglich.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich.
    Ich würde es nicht schaffen, die Hose vor ihr herunterzulassen. Ich sah sie schon kichern, mit dem Finger auf meinen Schwanz zeigen und im Kopf die Geschichte für ihre Freundinnen formulieren. War es eigentlich für eine Frau vor ihren Freundinnen skurril oder blamabel, wenn sie auf einen Mann mit einem kleinen Schwanz gestoßen war?
    »Ist nicht nötig«, sagte ich. »Ich lade dich gerne auf die Fahrt ein.«
    »Komm schon.«
    Ihr Blick hatte sich verändert. Er war nicht mehr schelmisch. Sie wollte wirklich. Sie musste ungefähr achtzehn sein, aber ich hatte in diesem Augenblick das Gefühl, dass sie wesentlich älter war als ich.
    Das Funkgerät erlöste mich. Ein neuer Auftrag. Ich stieg aus, öffnete ihr die Tür und begleitete sie noch zum Haus.
    Danach war ich so sauer auf mich, dass ich am liebsten meinen Schädel gegen das Seitenfenster geschlagen hätte. Ich war ein verdammter Idiot und lächerlicher Versager. Vermutlich würde ich diesen Flop mein Leben lang nicht vergessen. Es war zwar richtig gewesen abzulehnen, und dazu stand ich auch. Aber ich hatte es aus den falschen Motiven getan.

[home]
    11
    B ei mir daheim herrschte reges Treiben. Meine Eltern hatten von meiner Großmutter erfahren, dass ich Vater werden würde, und kramten im Keller nach alten Kindersachen. Im Vorzimmer stand schon ein Wickeltisch, von dessen Existenz ich gar keine Ahnung gehabt hatte. Meine Mutter präsentierte ihn mir ganz aufgeregt.
    »Da bist du einmal draufgelegen.«
    Sie regte sich wegen der unverhofften Schwangerschaft nicht auf. Die großen Dinge des Lebens war sie immer ziemlich entspannt angegangen. Was ohnedies nicht zu ändern war, sah sie gerne von der positiven Seite. Die bestand in diesem Fall darin, dass sie in ziemlich jungen Jahren Großmutter wurde und das noch richtig genießen können würde.
    »Papa holt noch deinen alten Kinderwagen und das Bettchen herauf.«
    Meine Mutter schrie vor Aufregung direkt in mein Ohr, sodass es fast weh tat.
    »Na großartig. Jetzt werde ich also Großvater. Du hättest dir ruhig etwas mehr Zeit lassen können.«
    Mein Vater polterte die Kellertreppe herauf.
    »Es war…«, begann ich, aber mein Vater war zu sehr in Fahrt, um mich zu Wort kommen zu lassen.
    »Wann lernen wir unsere Schwiegertochter denn kennen? Oder zeigst du sie uns gar nicht.«
    Dieses Thema interessierte auch meine Mutter brennend, die inzwischen inmitten einer Staubwolke geschäftig den Wickeltisch reinigte.
    »Zieht sie bei uns ein? Platz ist nicht viel, aber es lässt sich sicher machen.«
    »Ist nicht geplant«, sagte ich.
    »Dann ziehst du zu ihr?«
    Ich fühlte mich von der Fragerei leicht überfordert.
    »Auch nicht«, sagte ich.
    Meine Großmutter rief aus der Küche, dass die Jause fertig sei. Das verschaffte mir ein wenig Zeit. Während ihr meine Mutter tragen half, führte mich mein Vater am Arm zum Tisch.
    »Ist es nicht schon etwas spät für eine Jause?«, fragte ich.
    »Wir wollten nicht ohne dich anfangen, jetzt, wo du für Nachwuchs sorgst.«
    Als alle beisammen waren, erklärte ich die Situation. Es war aber nicht ganz einfach, weil mich die drei ständig mit ihren Kommentaren unterbrachen.
    »Heutzutage ist eben alles ein bisschen anders«, sagte etwa mein Vater.
    »Was meinst du?«, fragte meine Großmutter.
    »Die ganze Moral«, sagte mein Vater. »Schau dir Silvio Berlusconi in Italien an. Der hat hunderte von Frauen, und was für welche. Und trotzdem wählen ihn die Leute.«
    »Sie werden mit der Zeit schon zueinanderfinden«, sagte meine Großmutter.
    »Du wirst aber gut für sie sorgen, für sie

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