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Elf Zentimeter

Elf Zentimeter

Titel: Elf Zentimeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Scheiblecker
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Kuscheleinheiten erleben sollte. Es hatte wohl damit zu tun, dass mich all die Paare so ungeheuer nervten, die zum Probeliegen in die Bettenabteilung kamen. Sie wippten als Belastungstest völlig ungeniert in den Ausstellungsstücken herum und manche begrapschten einander sogar zur Probe. Die Männer ließen mir gegenüber den Macho heraushängen. Die Situation bot sich dafür an. Die meisten waren im Begriff, eine Frau zu heiraten, und schafften sich die Spielwiese an, auf der sie es ihr täglich mindestens einmal richtig besorgen würden.
    Die Frauen verhielten sich naturgemäß etwas anders. Die meisten hatten sich in den Prospekten schlaugemacht, welche Matratze die beste Erholung bot, welcher Rost den Energiefluss gut unterstützte und welche Decke wärmte, ohne Schweißausbrüche zu verursachen. Das war mir noch lieber, als mit den Männern mehr oder weniger verklausuliert die Frage zu diskutieren, welche Stoßkraft ein Gestell absorbieren konnte. Auf Dauer verdross mich aber beides. Es war einfach nicht lustig, wenn das Thema Beischlaf sozusagen ständig im Raum stand, wenn man selbst noch nicht einmal eine Brust gestreichelt hatte. Bald ekelte ich mich allein schon beim Anblick der Doppelbetten. Als ich selbst die Einzelbetten nicht mehr sehen konnte, wusste ich, dass sich etwas ändern musste.
    Eines Tages packte ich einige Unterhosen, meine Zahnbürste, zwei Wurstbrote und eine Bierdose ein und lenkte mein Moped in Richtung Ungarn statt zur Arbeit nach Wien. Dabei malte ich mir aus, was für ein wunderbares Leben mich dort erwarten würde.
    Ich hatte vor, fürs Erste über die Runden zu kommen, indem ich bei Bauern aushalf. Mittelfristig wollte ich mir in einem kleinen Wäldchen eine gut versteckte Hütte bauen und dort ein paar Hühner und vielleicht ein oder zwei Schafe halten, ein Beet bestellen und so in aller Bescheidenheit meine ureigene Existenz aufbauen. Allerdings riss mir wenige Kilometer vor dem Grenzübergang Nickelsdorf die Kette. Ich stellte das Moped an den Straßenrand und rauchte in Ruhe eine Zigarette. Dann aß ich die Brote und trank das Bier. Nach einer weiteren Zigarette wurde ich nervös, rief demütig im Möbelhaus an und entschuldigte mich wegen einer plötzlichen Erkrankung. Noch demütiger alarmierte ich meinen Vater. Bei ihm tat ich mich mit einer Ausrede schwerer. Also erzählte ich ihm einfach die Wahrheit. Ich hatte gehofft, dass er die Sache mit etwas Humor nehmen würde, aber er blieb sehr ernst.
    »Ich komme, sobald wir in der Zentrale abgerechnet haben«, sagte er.
    Ich hatte also vier Stunden Zeit, am Straßenrand mit meinem Schicksal zu hadern. Ein bisschen hoffte ich dabei, dass drei Mädchen mit wehenden Haaren in einem roten Cabriolet vorbeikommen und mich einladen würden, zu ihnen auf die weißen Lederpolster zu springen und von da an in einem Schlaraffenland zu leben, in dem es weder um Stöße noch um Energieflüsse gehen würde. Stattdessen rollten beinahe im Minutentakt Lastwagen vorbei. Darunter waren überdurchschnittlich viele Viehtransporter. Und nicht einmal ein Schweinetransporter hielt für mich an. Mein Schicksal wollte offenbar, dass ich mich weiter mit der Infrastruktur für ehelichen Beischlaf befasste.
    Mein Vater kam mit dem Campinganhänger, in den wir das Moped stellten. Er verlor kein Wort, weder beim Einsteigen noch unterwegs. Erst als wir Hainfeld erreicht hatten, kamen die Vorwürfe und Fragen.
    »Doch, ich lebe gerne bei euch«, sagte ich. »Ja, ich mag meine Arbeit.«
    Meine Motive, auszureißen, waren kompliziert. Vor allem gab es dabei ein Grundproblem: Ein Mann konnte vor seinem Schwanz nicht davonrennen. Das war ein eherner Grundsatz und vielleicht die wichtigste Erkenntnis meines bisherigen Lebens. Wohin ich auch rennen würde, mein Schwanz würde immer mitkommen.
    Es sei denn, ich wanderte irgendwohin nach Asien aus. Aber Asien? Das Klima dort würde mir nicht gefallen. Außerdem gab es wissenschaftliche Untersuchungen, denen zufolge die Penisgröße nicht nur genetisch bedingt ist, sondern auch von Klimafaktoren abhängt. Ich wusste es nicht genau, aber das bedeutete womöglich, dass sich mein Schwanz dort unten am gelben, ostchinesischen oder japanischen Meer einfach auf das Niveau all der Einheimischen zurückentwickeln würde. Asien war jedenfalls keine Option. Selbst wenn ich dort mit meinem Elf-Zentimeter-Ding zumindest einige Zeit als neuer Long Dong Silver auftreten hätte können.

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    E s war nicht so, dass ich weitere

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