Elf Zentimeter
viele Onkel mit unerklärbarer familiärer Zugehörigkeit in ihrem Leben gab.
Als Jakob und Ernst an einem Abend von einer vorangegangenen Sauftour angeschlagen waren, nutzte ich meine Chance und ging allein mit Trixy aus. Ich blieb bei meiner väterlichen Rolle, auch dann, als uns der Gesprächsstoff ausgegangen war, Trixy auch einmal mit jemandem anderen tanzen wollte, und das dann den Rest des Abends tat. Ich träumte die ganze Nacht von ihr. Als ich früh am Morgen aufstand, hörte ich Trixys Stimme aus ihrem Zimmer.
»Was machst du denn?«, fragte sie.
»Ich schaue, was Onkel Stefan in der Küche macht.«
Ich kam ziemlich weit mit meiner Fürsorglichkeit. Trixy vertraute mir voll und ganz. Das bewies sie, als wir am nächsten Tag einen Ausflug nach Rovinij machten. Die Stadt war schön. Es gab ein paar alte Stadttore und die Kirche der heiligen Euphemia war eine beeindruckende Basilika mit einem Glockenturm, der stark an Venedig erinnerte. Ich war etwas schläfrig, weshalb die schmalen Gassen, die romanische Kapelle der heiligen Dreifaltigkeit und das mittelalterliche Rathaus wie Schatten an mir vorüberzogen.
Nach dem Essen war ich zu müde, um mit den anderen weiter auf Besichtigungstour zu gehen und blieb mit Karolina zurück. In einem Automaten mit Greifarm für Stofftiere erbeutete ich gleich mit der ersten Münze einen rosaroten Tintenfisch für sie. Weil sie dachte, das wäre so einfach, verpulverte ich danach vergeblich ein halbes Vermögen an dem Automaten. Ich kam davon erst los, als wir uns in einen vorbeikommenden Touristenzug setzten. Der brachte uns in eine winzige Ortschaft, wo wir erfuhren, dass der Zug erst am nächsten Tag wieder zurück nach Rovinij fuhr. In der alten Karre eines Bauern, dem wir leid getan hatten, verwünschte ich mich. Wir würden zwei Stunden zu spät sein und Trixys Vertrauen würde gebrochen sein. Doch sie war kein bisschen nervös gewesen. Sie herzte Karolina, während mich Ernst beiseite nahm.
»Danke, dass du das alles für mich tust.«
Erst am Rückflug bekam ich mit, dass er Trixy die ganze Zeit über gevögelt hatte. Immerhin hatte ich bei der Gelegenheit gelernt, mit Kindern umzugehen, und zwei Wochen nach unserer Rückkehr landete Trixy doch noch in meinem Bett.
»Hey Stefan, kann ich heute bei dir schlafen?«
Zu diesem Zeitpunkt wusste ich bereits, dass einer der Onkel ihr Freund und ein anderer ihr Liebhaber war und dass Ernst auch längst Onkelstatus hatte. Dennoch war ich überrascht und musste es verzweifelt über mich ergehen lassen, als Trixy unter dem Titel »Friends with Benefits« in dieser Nacht vergeblich versuchte, ein viel zu großes Kondom an meinem viel zu schlaffen Schwanz zu befestigen. Schließlich drehte sie sich weg, schlief ein und am Morgen betrat meine Großmutter das Zimmer. Die hatte noch nie besonders viel Feingefühl für Zwischenmenschliches gehabt.
»Na siehst du, Stefan«, sagte sie ganz laut, als sie Trixys Haarschopf entdeckte. »Es klappt ja wieder mit den Frauen.«
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14
E nde August wussten wir, dass es ein Sohn werden würde. Wir hatten uns auf zwei Dinge geeinigt. Er würde Fabian heißen und ich würde im Kreißsaal nicht dabei sein. Johanna fand, dass eine Geburt Frauensache ist, und ich hätte es zu intim gefunden. Im Grunde kannten wir uns kaum und körperlich überhaupt nur von der Zeugung. Abgesehen davon kamen wir uns allmählich näher. Wir blieben jedenfalls in allen Dingen ziemlich gelassen. Ich wunderte mich darüber, sowohl über Johanna als auch über mich selbst. Johannas Mutter, die ich im Krankenhaus kennenlernte, machte ebenfalls keine große Sache aus der bevorstehenden Niederkunft ihrer Tochter. Sie wurde erst nervös, als Johanna zuerst zwölf, dann dreizehn und dann vierzehn Tage über dem Termin lag. Johanna wurde schließlich stationär aufgenommen, und so fuhr ich neuerlich regelmäßig ins Landesklinikum Lilienfeld. Diesmal aber nicht wegen Jakob, sondern wegen der Mutter meines Sohnes.
In der Nacht vom dritten auf den vierten September sollte es dann so weit sein. Johannas Mutter hatte versprochen, mich sofort anzurufen. Ich musste nach wie vor täglich um vier Uhr morgens aufstehen und war dementsprechend gerädert. Trotzdem konnte ich in dieser Nacht nicht schlafen. Schließlich stand ich auf, um zur Ablenkung an meinem Kabarettprogramm zu arbeiten. Die Idee mit den Prostituierten, die über die Schwanzlänge jedes Mannes Auskunft geben konnten, hatte sich in meinem Kopf
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