Elf Zentimeter
Internetseite des Bordells offen. Nachdem ich angeboten hatte, einen Stundensatz zu bezahlen, sah ich mir die Preise an. Es gab einen Eintrittspreis, den man an das Bordell selbst bezahlte, und das Honorar für die Prostituierte. In Summe machte das etwa dreihundertfünfzig Euro aus. Den Eintrittspreis musste ich wahrscheinlich nur einmal zahlen. Für drei Mädchen waren das siebenhundertfünfzig Euro. Das waren Alimente für drei Monate. Da sie mir die Saure-Gurken-Zeit angeboten hatte, hatte sie mein Honorarangebot wahrscheinlich aber ohnehin nicht ganz ernstgenommen. Immerhin wollte ich ja nur reden. Dafür bekam man bestimmt einen Rabatt.
»Der Chef findet es lustig«, sagte die Frau am Telefon. »Rufen Sie bitte nach der Weihnachtspause an, dann organisieren wir das für Sie.«
Ich bedankte mich und notierte für alle Fälle ihren Namen.
»Ich gehe ins Puff«, sagte ich wenig später zu Jakob.
Er war überrascht und gar nicht begeistert über meine Ankündigung.
»Wieso das jetzt?«, fragte er.
»Wieso nicht?«
Ich hatte einmal gehört, dass Prostituierte Kunden mit kleinen Penissen bevorzugen, weil das ihren Arbeitsalltag erleichtert. Insofern hätte ich als Freier wirklich brillieren können. Trotzdem hatte ich nicht vor, mich bei dem Termin sexuell zu betätigen. Einfach aus Prinzip nicht, obwohl ich darüber noch nie nachgedacht hatte.
»Dir ist aber schon klar, dass die das nicht freiwillig machen, die Frauen. Und dass sie meistens eine ziemlich schlimme Vergangenheit haben.«
»Das kann ich auch nicht mehr ändern«, sagte ich, einfach um zu sticheln.
»Wer zu Huren geht, macht sich mitschuldig am Frauenhandel!«, rief Jakob. »Und außerdem… Wer zu Huren geht, vergisst irgendwann, was Liebe ist. Und wer das vergessen hat, kann sie nicht mehr finden.«
»Wann genau warst du im Priesterseminar und warum hast du mir nie davon erzählt?«
Nach dieser letzten Provokation beruhigte ich meinen Freund und erzählte ihm von meiner Idee mit der Jury.
»Also deswegen hast du einmal wegen der Penislänge des Papstes gefragt«, sagte er.
»Wie findest du es?«
»Ziemlich abgefahren«, sagte er. »Aber darf ich dir ein paar Bilder von meinem Chef mitgeben?«
Er lachte laut.
Dem orangefarbenen Regisseur erzählte ich nichts von meinen neuen kabarettistischen Plänen. Er hätte sich wie eine leuchtende Elster darüber hergemacht und sie nach allen Regeln der Kunst zerpflückt. So sicher war ich mir meiner Sache noch nicht. Ich hätte seine Kommentare nicht ertragen.
Es war schließlich bis jetzt nur eine Idee, bei der noch das ganze Drumherum fehlte. Wenn der Regisseur sie gut gefunden hätte, hätte er sie mir womöglich sogar geklaut. Das traute ich ihm zu. Dann wäre er nicht mein Hauptgewinn gewesen, sondern ich seiner.
Deswegen arbeitete ich mit ihm brav an meinem Workaholic-Programm. Bei den Proben übernahm ich, um Streit zu vermeiden, all seine Vorschläge. Ich dachte aber nicht daran, sie bei den Aufführungen wirklich umzusetzen.
Der Regisseur drängte darauf, dass die Premiere in einem kleinen Wiener Kellertheater stattfinden sollte, das ihm gehörte. Aber das kam für mich nicht in Frage.
Erstens wollte ich nicht in der Anonymität der Großstadt versinken. Ich war Hainfelder, und das mit Begeisterung. Wenn ich schon so ein Werk zu präsentieren hatte, dann wollte ich es zuerst einmal dort tun. Sabine, für die ich vor allem ein toller Mann sein wollte, würde auch kaum nach Wien kommen. Ins Kulturzentrum Hainfeld dagegen schaffte sie es vielleicht.
Zweitens hatte ich dem Kulturzentrum in Hainfeld versprochen, alle Premieren dort zu präsentieren.
Und drittens hätte mir der Regisseur nur dreihundert Euro gezahlt. In Hainfeld war ich dagegen am Eintrittsgeld beteiligt, was um einiges lukrativer war.
Ich organisierte die Premiere in Hainfeld also ohne das Wissen des Regisseurs.
Meine Pointen würden die Menschen vielleicht nicht vom Sessel hauen, aber wenn die richtige Stimmung aufkam, zogen vielleicht ein paar davon:
»Die Leute schleppen sich in die Arbeit mit vierzig Grad Fieber, damit der Chef nicht böse ist und die so wichtige Arbeitsleistung nicht fehlt. Aber der Chef wäre ohnehin nicht bös. Der liegt mit der Grippe zu Hause, weil ihn seine siebenundzwanzig kranken Mitarbeiter angesteckt haben.«
»Mitterbauer Walter, geboren in Wien am 27.Februar 1978. Volks- und Hauptschule fast erfolgreich beendet. Danach einige Jahre Selbstfindung. Mitarbeit bei zahlreichen Projekten
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