Elf Zentimeter
wie ›Rettet den Regenwald‹. Absolvierung vieler Weiterbildungen. ›Roman geschrieben leicht gemacht‹, ›Sales Management Basics eins und zwei‹. Drehbuchautor bei gewichtigen Hollywood-Produktionen. Danach Ausstieg aus der Filmbranche. Vier Jahre Forschungsarbeit bei der NASA , 1997 Ernennung zum Space-Shuttle-Commander, 1998 Filzpreis für hervorragende mathematische Forschungsarbeit.
Herr Mitterbauer, Sie wissen schon, dass wir einen Maurerpolier suchen, oder?«
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W ie gut muss ein Kabarettprogramm sein, um einen zu kurzen Schwanz auszugleichen?
Besser jedenfalls, als ich es je zustande bringen würde. Besser wahrscheinlich, als es irgendein Kabarettist je zustande bringen würde. Besser als Charlie Chaplin, Stan Laurel und Oliver Hardy zusammen.
Dennoch hatte ich am Tag der Premiere meines Workaholic-Programms den festen Glauben, dass ich nach dem Ende der Vorstellung einen großen Schritt in Richtung »Richtiger Mann« gemacht haben würde. Ich hatte sogar das Gefühl, mein Schwanz würde dann um einiges größer sein.
Vielleicht liegt in diesem Glauben sogar das Geheimnis jeglichen Fortschritts und jeglicher künstlerischen Innovation. Männer versuchen immer, besser zu sein, als ein Mann eigentlich sein kann, und irgendetwas kommt bei ihren Bemühungen am Ende heraus. Etwas Bleibendes. Etwas, das die Welt bereichert. Vielleicht gibt es deswegen mehr berühmte Männer in Wissenschaft und Kunst als Frauen, weil Frauen psychisch stabiler sind. Sie haben keine Schwänze, die zu klein sein könnten.
Wolfgang Amadeus Mozart, Christoph Kolumbus, Thomas Edison, Alfred Nobel, Albert Einstein, Pablo Picasso.
»Ist Sabine da?«, fragte ich Jakob hinter der Bühne.
Ich bereitete mich gerade auf meinen Auftritt vor. Er antwortete ausweichend und beinahe schuldbewusst.
»Ich weiß nicht«, sagte er. »Gesehen habe ich sie eigentlich nicht. Aber es ist ja viel los da draußen.«
Ich konnte meine Enttäuschung schwer verbergen. Aber er wusste ohnedies, wie viel mir Sabine bedeutete.
Ich hatte mich nicht einfach darauf verlassen, dass die offizielle Ankündigung meines Auftritts oder die Mundpropaganda Sabine in unserer überschaubaren Welt erreichen würden. Ich hatte ihr zur Sicherheit eine persönliche handschriftliche Einladung samt einer handgebundenen und handkolorierten Ausgabe meines Programms geschickt. Eine halbe Nacht lang war ich in Wien in einem Vierundzwanzig-Stunden-Copyshop gestanden, hatte das richtige Papier ausgesucht, das eleganteste Format gewählt, mich mit dem Farbkopierer herumgeplagt und das Büchlein dann mit Nadel und Faden gebunden. Das Kuvert, in dem ich Programm und Einladung geschickt hatte, hatte ich dann noch mit einem eleganten Herrenduft besprüht, der unbenutzt in der Sockenlade meines Vaters lag, seit er ihn vor drei Jahren zu Weihnachten von meiner Großmutter geschenkt bekommen hatte.
Vielleicht würde sie noch im letzten Moment kommen. Ich spähte durch den Vorhang ins Publikum und sah viele bekannte Gesichter, aber nicht das von Sabine. Der Vorhang ging auf. Applaus.
Ich fragte mich auf einmal, wie es wäre, wenn ich nackt da hinaustreten würde. Mit einem kleinen Röhrchen höchstens, in dem der Penis steckte und das keine Frage über die Länge offenließ. Wie war das eigentlich in anderen Kulturen? Vor allem in solchen, in denen man unbekleidet seinen täglichen Beschäftigungen nachging? Machte dort die Schwanzlänge einen Unterschied aus?
Ich fing mit meinem Programm an. Ich beherrschte es im Schlaf. Das zumindest war eine meiner Errungenschaften aus der Zusammenarbeit mit dem anstrengenden Regisseur. Kein Improvisieren, kein peinliches Zettelsuchen. Selbst dann nicht, wenn meine Gedanken abglitten.
Meine Augen suchten weiterhin nach Sabine. Ich dachte daran, dass selbst die beste Aufführung nichts bringen konnte, wenn sie nicht vom wichtigsten Menschen gesehen wird. Ich würde kein ganzer Mann werden. Der Schwanz würde kurz bleiben.
Dann überlegte ich, meine Schwanzlänge notariell beglaubigen zu lassen, für den Fall, dass ich als Nächstes wirklich ein Schwanzlängenprogramm brachte. Dann müsste ich ihn nicht herzeigen, um glaubwürdig zu sein. Die Frage war, ob ein Notar dafür zu finden sein würde.
Sicher war ich mir meines neuen Themas noch nicht. Ich war zu sehr involviert. Und die Lösung eines Problems besteht selten darin, es an die große Glocke zu hängen. Ich kannte zum Beispiel eine Frau, die der Meinung war, dass ihre Brüste
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