Elfen-Jagd
sie dann Tandy einfach ihrem grausamen Schicksal überlassen? Man mußte sie auf der Stelle retten!
»Wie ich die Sache sehe«, meinte Chem, »müssen wir hineingehen und Tandy suchen, um sie dort rauszuholen. Dabei riskieren wir natürlich, daß wir selbst zu Gefangenen werden. Nicht zu Opfern von Ungeheuern, nein, sondern Gefangene der herrlichen Schönheit dieser Gegend. Wir werden gar nicht wieder fortgehen wollen.« Besorgt ließ sie ihren Schweif zucken. »Ich weiß, daß dich das jetzt ganz schön überfordert, Krach, aber kannst du mir mal sagen, was du dazu meinst?«
Welch Ironie des Schicksals! Wenn der Fluch nur noch ein winziges Weilchen bei ihm geblieben wäre, hätte er die gewaltigen Fähigkeiten der Schlauschlinge bemühen können, um einen rhetorisch ausformulierten und relevanten Gedanken von sich geben zu können, der ihre komplizierte mißliche Lage vielleicht etwas verbessert hätte. Irgend etwas wie: »Chem, ich schlage vor, daß du deine dreidimensionale holographische Kartenprojektion benutzt, um das Nichts zu kartographieren, während wir es erkunden. Auf diese Weise werden wir nicht nur Aufschlüsse über Tandys wahrscheinlichste Route erhalten, sondern werden selbst auch keine Schwierigkeiten damit haben, unseren Weg zurück zu finden.« Doch der Fluch war von ihm gewichen und hatte es ihm verunmöglicht, so etwas zu denken, geschweige denn, es zu formulieren. Alles, was er sagen konnte, war: »Karte machen, Fallen krachen.«
»Karte? Fallen?« fragte sie mit gefurchter Stirn. »Ich möchte natürlich auch das Nichts kartographieren, wie alles andere auch, das stimmt, aber ich begreife nicht…«
Er hatte sich tatsächlich nicht verständlich machen können. Also versuchte er es erneut. »Finden Weg, wir kommen weg.«
»Mit meiner magischen Karte den Rückweg finden?« Ihre Miene erhellte sich. »Aber natürlich! Wenn ich sie ständig auf dem laufenden halte, können wir uns gar nicht mehr verirren. Ich werde eine gestrichelte Linie einzeichnen, der können wir dann zurück folgen, wenn es Schwierigkeiten geben sollte. Das ist wirklich eine sehr gute Idee, Krach. Wir wollen es versuchen.« Sie rollte ihr Seil auf. »Bleiben wir immer in Sichtweite voneinander, und teilen wir einander mit, wenn wir irgend etwas Besonderes bemerken. Wir wollen Tandy suchen, das ist unser Ziel, und wir wollen alle gemeinsam das Nichts auf der Nordseite wieder verlassen. Einverstanden?«
Krach nickte. Er bemerkte, wie besorgt sie trotz ihres kurzen Lächelns war. Sie fürchtete sich vor dem, was ihnen im Nichts begegnen würde, so angenehm es auch sein mochte. Sie wußte, daß sich ihre ganze Sehweise in dem Augenblick verändern würde, da sie die Grenze überschritten hatten, und sie wußte auch, daß sie vielleicht niemals zurückkehren würden. Sie atmeten tief durch, dann traten sie über die Linie.
Chem hatte recht gehabt. Die Landschaft war eben, mit einer leichten Abwärtsneigung und tiefhängenden Wolken, die vorüberzogen. Der Boden bestand aus sattem Gras, das mit bunten Blumen verziert war. Hier gab es tatsächlich keinerlei offensichtliche Gefahren. Und das, so fürchtete er, war die offensichtlichste Gefahr von allen.
Nun ließ Chem ihre magische Karte in der Luft erscheinen. Doch anders als sonst dehnte sich die Karte immer weiter aus, wurde immer riesiger und bedeckte langsam die ganze Landschaft, in der sie standen, so daß die geographischen Eigenarten des Landes Xanth bildhaft an ihnen vorüberjagten. Berge, Seen, die Spalte – anscheinend unterlag die Karte nicht dem Vergessenszauber, was vielleicht von Wichtigkeit sein konnte – schossen vorbei. Dann wurden die Bäume und Bäche groß genug, daß man sie in allen Einzelheiten erkennen konnte, und sogar vereinzelte Tiere, die zwar unbeweglich blieben, wie sie aufgezeichnet worden waren, schienen durch das Ausdehnen der Karte plötzlich selbst in Bewegung zu geraten. »He, das soll die doch gar nicht!« protestierte Chem. »Die nimmt ja plötzlich den Maßstab 1:1 an!«
Offensichtlich geriet die Landkarte außer Kontrolle. Krach fragte sich, warum sie das ausgerechnet hier tat. Wenn seine Schlauschlinge noch dagewesen wäre, hätte er vielleicht erkannt, daß dies kein Zufall sein konnte und daß die Sache in ursächlichem Zusammenhang mit dem Wesen des Nichts stand. Er hätte sich vielleicht sogar überlegt, daß der Geist, ob es nun der belebte einer Karte war oder ein unbelebter, offenbar großen Einfluß auf die Landschaft des
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