Elfen-Jagd
so wichtig, da er mit den Strudelungeheuern ohnehin nichts zu schaffen hatte. Immerhin hatten sie ihre Einwilligung verweigert, als seine Mutter seinen Vater heiraten wollte. Nachdem sie sich mit Knacks dem Oger verbunden hatte, hatte sie keinen Kontakt mehr zu ihrem Volk aufrechterhalten, und Krach überlegte sich, daß ihr das vielleicht Kummer verursacht haben konnte. Deshalb begegnete er den Strudelungeheuern gedanklich nur mit einer gewissen Zurückhaltung. Er würde zwar nicht versuchen, sie zu meiden, andererseits würde er ihnen aber auch nicht nachstellen. Neutralität war die Devise. Er hatte noch nie vorher darüber nachgedacht – aber da hatte er ja auch noch nicht unter dem Fluch der Schlauschlinge gelitten. Er hoffte immer noch, bald ein Gegenmittel zu finden, denn diese ständige Geistesakrobatik gehörte sich einfach nicht für einen Oger.
Er blickte über den kleinen See. Tandy ging gerade am Strand entlang und sah sehr klein aus. Er empfand eine ganz unogerhafte Fürsorglichkeit für sie – aber das war ja auch der Dienst, den er dem Guten Magier leisten mußte. Oger waren zwar grob und gewalttätig, aber sie hielten stets Wort. Darüber hinaus verlieh ihm der Fluch der Schlauschlinge eine zusätzliche Perspektive, da er nämlich den Wert ethischer Werte zu erkennen begann. Das war ein bißchen wie mit der körperlichen Kraft: Das Ideal bestand darin, in jeder Hinsicht stark zu sein, sowohl ethisch als auch physisch. Und Tandy mußte wirklich beschützt werden. Und davon abgesehen war sie ein nettes Mädchen. Er fragte sich, was sie wohl im Leben suchte und in welchem Zusammenhang dies mit seiner Reise zu den Ur-Ogern stehen mochte. Hatte der alte Magier Humfrey vielleicht endgültig seine Magie verloren, so daß er Tandy einem Oger überantworten mußte, anstatt ihr eine echte Antwort zu geben? Krach hoffte zwar, daß dies nicht der Fall war, doch er mußte die Möglichkeit mit in Betracht ziehen. Was, wenn es tatsächlich gar keine Antwort für Tandy gab – und auch für ihn selbst nicht?
Selbst mit seiner neugewonnenen Intelligenz wußte Krach keine Antwort auf diese Frage, weshalb er dem Gedanken weiter nachhing. Doch die Sache war beunruhigend: Anscheinend warf eine hohe Intelligenz ebenso viele Fragen auf, wie sie beantwortete. Schlau zu sein war nicht unbedingt eine Lösung für die Probleme des Lebens. Es war viel leichter, stark und dumm zu sein und ohne jede Rücksicht auf die Konsequenzen Hindernisse einfach aus dem Weg zu prügeln. Beunruhigung war kein schickliches Gefühl für einen Oger.
Nun ließ er sich ins Wasser sinken und begann mit allen Gliedmaßen auf einmal Wogen aufzuwühlen. Das war ein rechter Ogerspaß! Das Wasser sprühte empor und bildete eine große Wolke, die die Sonne umhüllte und ihr Licht in ein magisches Schimmern verwandelte. Dieser Effekt war so wunderbar, daß er fortfuhr, so kräftig wie möglich zu planschen, bis er schließlich auf angenehme Weise aus der Puste war. Als er einhielt, stellte er fest, daß sich der Wasserpegel des Sees merklich gesenkt hatte und daß die Sonne über den Himmel davonhastete, um den Wasserfluten aus dem Weg zu gehen, die sie überschüttet hatten.
Doch seine gründliche Wäsche hatte ihn nicht von der Schlauschlinge befreit. Irgendwie war diese in sein Gehirn eingedrungen, so daß es schwierig sein würde, sie von dort wieder zu entfernen.
Schließlich watete er am anderen Ufer an Land. Die Sirene kam herangeschwommen, verwandelte ihren Schwanz wieder in Beine und gesellte sich auf dem warmen Strand zu ihm. »Hast ein hübsches Geplansche veranstaltet, Krach«, sagte sie. »Wenn ich nicht Bescheid gewußt hätte, ich hätte wohl geglaubt, daß bald ein Sturm aufzieht.«
»So gut war das!« stimmte er zufrieden zu. Natürlich war es keineswegs so gut: Schließlich war er jetzt unangenehm sauber. Doch dem konnte Abhilfe geschaffen werden, indem er sich ein paarmal ordentlich im Dreck wälzte.
»So schlimm war das«, erwiderte die Sirene lächelnd.
Er musterte sie, wie sie so naß neben ihm saß und ihr Schuppenpanzer langsam nach oben kroch, um ihren üppigen Busen zu bedecken. Sie schien jünger zu werden, obwohl das auch eine Illusion sein konnte. »Ich glaube, das Schwimmen hat dir auch gutgetan, Sirene. Du siehst prächtig aus.« Insgeheim wunderte er sich über seine eigenen Worte. Die Sirene sah zwar wirklich prächtig aus, und ihre Verwandtschaft mit der üppigen Gorgone war nicht mehr zu übersehen, doch keinem
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