Elfen-Jagd
– der Drache war fort.
Er beugte sich vor, um den Boden zu mustern. Ah ja, da war ja ein Loch, das schräg ins Erdinnere hinabführte. Es hatte genau den Umfang des Drachen. Das Ungeheuer war geflohen!
Krach lockerte einen größeren Felsen und rollte ihn über das Eingangsloch. Das würde den Drachen wenigstens so lange einsperren, bis Tandy und die anderen die Spalte verlassen hatten. Zu schade, daß er den Kampf nicht zu Ende hatte führen können, aber es war immerhin eine sehr gute Prügelei gewesen, und solche Ironie des Schicksals war in der Wildnis Xanths keine Seltenheit.
Da senkten sich von hinten zwei Krallenpaare auf ihn. Der Drache war aus einem anderen Loch hervorgeschlüpft und hatte ihm von hinten aufgelauert! Das kam davon, wenn man auf dem Heimfeld des Gegners unachtsam wurde.
Krach versuchte sich umzudrehen, doch die Krallen packten ihn an der Schulter und rissen ihn zurück, dem sich aufsperrenden Maul entgegen. Diesmal konnte er die Schnauze des Drachen nicht mit den Händen traktieren, denn sie war außerhalb seiner Reichweite. Er hatte keine Chance mehr!
Tandy erschien neben dem Felsvorsprung. »Paß auf, Krach!« schrie sie überflüssigerweise.
»Verschwinde von hier!« brüllte Krach, als er auch schon den Drachendampf im Nacken spürte.
Doch Tandys Gesicht war von Angst, Entsetzen oder Wut verzerrt, das ließ sich jetzt nicht so genau feststellen. Ihre Augen waren zu engen Schlitzen geworden, und ihr Körper hatte sich versteift. Sie beachtete ihn nicht. Dann bewegte sie ihren Arm, als wollte sie etwas Unsichtbares werfen, und Krach, der ihr Vorhaben beinahe zu spät durchschaut hätte, ließ sich auf die Knie sinken, obwohl sich die Krallen des Drachen unbarmherzig in seine Schulter senkten.
Der Koller streifte seinen Kopf, so daß ihm der Pelz zu Berge stand. Den Drachen traf die volle Wucht auf die Schnauze, und er erstarrte wie angewurzelt, wobei ihm eine halbe Dampfschwade in einer seiner Nüstern steckenblieb.
Krach drehte sich um und erhob sich. Die Augen des Spaltendrachen sahen glasig aus. Der Wutkoller hatte das Ungeheuer gelähmt. »Schnell, lauf weg!« rief Tandy. »Der Drache wird gleich wieder zu sich kommen!«
Weglaufen? Das war aber nicht Ogerart! »Lauf du weg, ich werde den Drachen fesseln.«
»Du Holzkopf!« fuhr sie ihn an. »Den hält doch nichts fest!«
Krach packte den peitschenähnlichen Schwanz des Drachen, zog die Spitze durch den zermatschten Ohrenansatz, bis sie am anderen Ohr wieder heraustrat, und zog ein ganzes Stück des Schwanzes hindurch. Dann piekte er mit einem Finger ein Loch in den Fels und noch ein zweites, das schräg auf das erste auftraf. Er zurrte die Schwanzspitze durch das eine Loch und zum anderen wieder heraus, ganz wie er es schon mit dem Drachenkopf getan hatte, und machte schließlich einen Ogerhenkersknoten in den Schwanz. »Jetzt gehe ich«, sagte er zufrieden.
Sie schritten zum Abhang. Hinter ihnen wachte der Spaltendrache auf. Er schüttelte den Kopf, um seine Verwirrung loszuwerden – und entdeckte, daß er gefesselt war. Das Ungeheuer wollte zurückweichen – da zurrte sich der Schwanz noch fester um den Fels.
»Das wird ihm zu denken geben«, meinte Krach. Insgeheim wurmte es ihm, daß er das Ungeheuer nur mit fremder Hilfe hatte ausschalten können, denn das geziemte sich nicht für einen Oger. Doch die schreckliche Vernunft, die ihm die Schlauschlinge aufgebrummt hatte, erinnerte ihn daran, daß die Mädchen ohne Oger keine großen Überlebenschancen hatten und der Baum der Dryade mit Sicherheit gefällt werden würde. Also überwand er seinen dummen Stolz und stellte sich statt dessen lieber der nächsten Herausforderung.
Chem, Feuereiche und die Sirene saßen auf einem Felsvorsprung. Das Seil hing achtlos in die Tiefe.
»Alles klar, Mädchen!« rief Tandy. »Können wir jetzt hochkommen?« Sie erhielten keine Antwort. Es war fast, als würden die anderen schlafen.
»He, wacht auf!« rief Tandy wütend. »Wir müssen uns auf den Weg machen, und wir haben noch eine schlimme Kletterpartie vor uns!«
Die Sirene bewegte sich. »Was macht das schon noch?« fragte sie wehmütig.
Krach und Tandy blickten sich an. Was war denn das?
»Ist alles in Ordnung mit dir, Sirene?« fragte Krach.
Die Sirene erhob sich und trat gefährlich nahe an die Felskante. »Ich bin ja so traurig!« sagte sie und wischte sich eine Träne aus dem Auge. »Das Leben macht ja überhaupt keine Freude mehr.«
»Keine Freude?« fragte Tandy
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