Elfen-Jagd
ist und wo man hingeht, weil man ja vorher auch schon nicht wußte, wo man war. Aber wenn man einen Faden als Markierung auslegt, sieht man, wo man schon einmal gewesen ist, und erkennt die Stelle sofort wieder. Und da ist noch ein Geheimnis.«
Krach begann sich für die Sache zu erwärmen. Obwohl er schon vor einer ganzen Weile im Kürbis war, konnte er anscheinend immer noch dorthin zurückkehren. »Was für ein Geheimnis?«
»Der Nachthengst befindet sich immer gerade dort, wo man ihn zuletzt sucht«, erklärte das Koboldmädchen. »Wenn du ihn aufstöbern willst, mußt du an immer neuen Orten nach ihm suchen, also niemals dort, wo du schon einmal gewesen bist, denn das ist verschwendete Mühe und Zeit. Dann verfängst du dich nämlich in einer nicht enden wollenden Schlaufe und verläufst dich erst recht. Wenn du einfach nur deine alte, vertraute Strecke nach ihm absuchst, findest du ihn nie.«
»Du weißt ja wirklich einiges darüber!« meinte Tandy. »Aber was, wenn Krach mit einem Faden in dieses Labyrinth eindringt, den Nachthengst tatsächlich ausfindig macht – und dann zu schwach ist, um gegen ihn zu kämpfen?«
»Nein, dazu braucht er eine andere Art von Kraft«, erwiderte Goldy. »Wir haben körperlich sehr kräftige Kobolde gehabt, die in den Kürbis hineingegangen sind, aber auch schwache, und die Schwachen haben genausogut abgeschnitten. Im Kürbis verlieren alle möglichen Leute den Kampf. Möglicherweise ist physische Kraft sogar eher ein Manko, denn wenn man auch die Anlagen und Einrichtungen zerstören kann, ändert das doch nichts an der eingegangenen Verpflichtung. Das geschieht nur, wenn man den Nachthengst besiegt, und zwar zu seinen eigenen Bedingungen.«
»Und was hat er für Bedingungen?«
Goldy zuckte mit den Schultern. »Das weiß keiner genau. Unser Kobold, der die Sache überlebt hat, weigert sich, uns das zu verraten. Immer vorausgesetzt, er weiß es überhaupt! Wenn man ihn darauf anspricht, wird er immer nur ein bisschen grauer im Gesicht. Ich schätze, das findet man nur dadurch heraus, indem man sich dem Wesen stellt.«
»Ich glaube, jetzt wissen wir genug«, sagte Tandy. »Nehmen wir einen Kürbis mit. Wir müssen erst zur Feuereiche, bevor der Wahnrand seine Kraft verloren hat.« Trotz ihrer Furcht vor den Kürbissen pflückte sie einen ab, denn ihre Sorge um Krach war noch größer.
Während sie weitergingen, grübelte Krach über das Gesagte nach. Wenn körperliche Kraft bei dem Kampf mit dem Nachthengst nicht so wichtig war, warum sollte man ihn dann möglichst bald suchen, bevor man zu sehr geschwächt war? War das ein Widerspruch oder lediglich eine Verwirrung der Begriffe? Er kam zu dem Schluß, daß es Letzteres sein mußte. Es gab eine Schwächung des Körpers und eine des Geistes; beide konnten zwar gemeinsam auftreten, waren aber miteinander nicht identisch. Krach war jetzt schwach, weil er sich körperlich überanstrengt hatte. Ohne eine solche Überanstrengung würde es drei Monate dauern, bis er seine Kraft gänzlich verloren hatte. Seine Seele hatte hingegen wahrscheinlich noch nicht allzusehr gelitten. Wenn er jedoch die Auseinandersetzung mit dem Nachthengst bis zum letzten Augenblick hinauszögerte, würde seine Seele geschwächt sein, so daß er den nichtkörperlichen Kampf verlieren mußte. Ja, das erschien sinnvoll und einleuchtend. Bei der Magie brauchten die Dinge zwar keineswegs immer sinnvoll und einleuchtend zu sein, aber mitunter war es doch eine Hilfe.
Sie kamen an ein hübsches Waldstück. Darin bemerkten sie ein wahnwitziges Schimmern, das Krach das Gefühl verlieh, selbst ein wenig wahnwitzig zu sein, so daß er die Augen abwandte.
»Mein Baum!« rief die Dryade, plötzlich wieder munter geworden.
Krach setzte sie ab. »Wo?«
»Dort! Hinter dem Wahnrand!« Sie schien jeden Augenblick kräftiger zu werden, dann stürzte sie in das Waldstück hinein. Ihr Körper vibrierte plötzlich – und war verschwunden.
»Schätze, der Zauber ist noch intakt«, meinte Tandy. Sie folgte Feuereiche, den Kürbis in der Hand, und verschwand genauso plötzlich wie die Dryade. Die anderen taten es ihr gleich.
Als Krach den Wahnrand berührte, überfiel ihn ein kurzer Schwindelanfall, dann hatte er ihn auch schon durchstoßen. Vor ihm stand der Baum, eine mittelgroße Feuereiche, deren Blätter im Licht der späten Nachmittagssonne loderten. Die Dryade umarmte den Stamm ekstatisch, so daß man ihren Leib kaum von dem des Baumes unterscheiden konnte, und
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