Elfen-Jagd
gewann wieder an Farbe. Sie hatte sich wieder mit ihrer Seele vereint. Auch der Baum schien innerlich zu erglühen, und die bereits etwas welk gewordenen Blätter wurden wieder glatt und strotzten vor Saft und Gesundheit. Offensichtlich hatte er seine Dryade auch vermißt. Diese Liebe zwischen der Nymphe und dem Baum hatte etwas Rührendes an sich.
Tandy trat auf den Oger zu, einen weidwunden Blick in ihren blauen Augen. »Krach, wenn ich gewußt hätte…« sagte sie mit erstickter Stimme. Sie drückte ihm heftig den Kürbis in die Hand.
»Am besten gehst du in den Kürbis, solange der Wahnrand noch hält«, schlug die Sirene vor. »Vielleicht bleibt dir ja genug Zeit, den Nachthengst zu besiegen und deine volle Kraft zurückzuerlangen.« Sie holte ein Bindfadenknäuel hervor, das die Dryade in ihrem Baum gehabt haben mußte. »Nimm das hier, damit du dich nicht verläufst.«
»Aber zuerst ißt du etwas«, sagte Chem und schleppte einen Armvoll Obst herbei. »Und ruhst dich eine Nacht lang aus.«
»Nein, ich will die Sache jetzt sofort hinter mich bringen«, widersprach Krach.
»Nein, bitte, iß doch wenigstens erst etwas!« bat Tandy. »Du kannst doch ganz schnell ganz viel essen.«
Das waren wahre Worte – und er war auch hungrig. Oger waren meistens hungrig. Also stopfte er einen Scheffel Früchte in sich hinein und schlang sie nach Ogerweise unzerkaut hinunter, um schließlich einen tiefen, langen Zug Wasser aus dem Bach zu nehmen, der am Fuß des Baumes entsprang.
Während die Sonne hinter dem Wald unterging und dabei die fernen Baumwipfel versengte, nahm Krach von den sechs Frauen Abschied, als wollte er eine lange, gefährliche Reise beginnen. Dann lehnte er sich sitzend mit dem Rücken gegen den Baum, legte den Kürbis in seinen Schoß und brachte das rechte Auge an das Guckloch.
Sofort fand er sich in der Kürbiswelt wieder. Er stand vor der Krypta und hatte gerade sein Nickerchen beendet. Tandy war nicht da; einen Augenblick lang hatte er befürchtet, daß sie gemeinsam mit ihm in diesem Abenteuer gefangen sein könnte, da sie ja früher schon einmal hier gewesen war, doch inzwischen war sie natürlich frei.
Ein eisiger Wind pfiff durch die Steine und spielte mit seinem Pelz. Die Landschaft war trostlos: Grabsteine, welkende Gräser und ein trüber dunkler Himmel. »Herrlich!« rief er. »Hier würde ich gerne für immer bleiben!«
Doch dann zwang ihn seine Schlauschlinge auf ihre penetrante Art, seinen Ausruf geistig zu relativieren: Er würde gerne für immer hierbleiben, nachdem er seine Seele wieder ausgelöst, seine volle Kraft zurückgewonnen, den Baum der Dryade gerettet, Tandy und die anderen ans Ziel gebracht und die Antwort des Guten Magiers gefunden hatte. Wenn all diese Kleinigkeiten erst einmal erledigt waren, würde dieses Kürbisparadies ein netter Ort sein, um sich dorthin zurückzuziehen.
Immerhin hatte das Koboldmädchen recht behalten, und er war tatsächlich am alten Ort in die Kürbiswelt zurückgekehrt. Jetzt war er davon überzeugt, daß er den Nachthengst schon aufspüren und ihm seine Seele wieder abringen würde. Schließlich war er ja ein Oger, nicht wahr?
Er hatte sein Fadenknäuel dabei, da er sich beim Eintritt in den Kürbis vorgenommen hatte, es mitzunehmen, doch einmal mehr hatte er seine Panzerfäustlinge und seine orangefarbene Jacke vergessen. Er schritt zu dem Spukhaus zurück, befestigte den Faden mit einem Ende an einem Pfosten, überquerte den Friedhof, bis er zum anderen Ausgang kam, und ließ dabei den Faden hinter sich abspulen. Es war ein dickes Knäuel, und er war sicher, daß er damit ein hübsches Stück weiterkommen würde.
Ein Skelett kam hervor, um nachzusehen, was los war. Krach schnitt eine schreckliche Grimasse, und das Ding floh in einem solchen Tempo, daß seine Knochen nur so schepperten. Ja, diese Knochenleute hier erinnerten sich noch an ihn!
Vor dem Friedhofstor erstreckte sich eine weite schwarze, öde Ebene, die von unheimlichem, fahlweißem Mondlicht beleuchtet wurde. Schwarze, häßliche Wolken jagten furchterregend über den trostlosen Himmel und bildeten Gestalten, die Trolle, Kobolden und Ogern glichen. Natürlich flohen die anderen Wesen vor den Ogergestalten. Krach war entzückt. Hier war es ja noch schöner als an der anderen Stelle! Wer immer diese Kürbiswelt erschaffen hatte, hatte dabei zweifellos den Geschmack von Ogern im Sinn gehabt.
Wohin sollte er jetzt gehen? Sein Ziel bestand ja nicht darin, hier
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