Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
Göttern. Nur wer dieses Recht auf seiner Seite hat, kann es zu etwas bringen, darf über die Erde herrschen. Findest du nicht, dass dieses Recht als Legitimation ausreicht, Mergun?“
„Nein.“
„Oh, Mergun! Wie dumm du doch bist!“
„Du kannst nur deshalb so reden, weil du selbst zurzeit zu den Starken gehörst. Aber Stärke ist nicht von Ewigkeit – weder die deine noch die irgendeines anderen Wesens auf dieser Erde! Es wird einst eine Zeit kommen, da wirst auch du schwach sein und eines Tages für immer vergehen.“
Sunev lächelte hinterhältig und etwas bedauernd.
„Mergun, ich bin zur Zeit nicht sehr stark. Meine Macht ist sehr begrenzt und mit der deinen gar nicht vergleichbar! Aber ich werde stärker, mein Freund. Mit jedem Tag, den ich auf dem Gipfel dieses Berges verbringe, werde ich stärker. Und selbst wenn du mich jetzt töten würdest, wenn du mir nun dein hässliches Schwert in meinen Leib stoßen würdest, mit dem du schon so viele Götter gemordet hast, so würde ich nach kurzer Zeit erneut hier auftauchen – mächtiger als je zuvor!“ Die Worte Sunevs erschreckten Mergun und er mochte ihnen auch nicht so recht Glauben schenken.
„Du siehst, Mergun, dass es durchaus sinnvoll ist, mit mir einen Pakt zu schließen!“
„Ich hasse dich!“
„Ich weiß.“
„Ich hasse dich so sehr, wie ich Lord Andur hasse!“
„Dann musst du mich allerdings sehr hassen, Mergun. Aber wie ich hörte, hast du ihm vor einiger Zeit Freundschaft und Treue geschworen. Ist das wahr?“
„Es ist wahr“, sagte Mergun. „Aber das ist einzig und allein meine Angelegenheit. Sie geht dich nichts an.“
Mergun riss den Dolch aus seinem Gürtel und schleuderte ihn in den Leib des anderen. Sunev aber lächelte nur gelassen, zog die Waffe wieder aus seinem Fleisch und steckte sie in die Wand. Mergun konnte zusehen, wie die Wunde des Gottes verheilte.
„In deinen Waffen wohnt nicht mehr die Kraft des magischen Feuers, mein Freund! Sie ist von ihnen gewichen, sie hat sie verlassen.“
Mergun hatte zwar schon vor längerer Zeit bemerkt, dass das grüne Leuchten seine Waffen nicht mehr zierte, aber in diesem Augenblick schien ihm zum ersten Mal richtig klar zu werden, was dies eigentlich bedeutete. Wenn er tatsächlich mit Sunev kämpfen würde, so war seine Position denkbar schlecht.
Und was ist, wenn er mich tötet?, fragte er sich dann. Allein der Gedanke schon kam ihm ketzerisch vor. Niemand konnte ihn töten. Er war das mächtigste Wesen dieser Erde. Auch Sunev würde sich letztendlich seiner Macht beugen müssen, denn die Menschen verehrten in der Hauptsache ihn, Mergun, den rebellierenden Gott, der den Menschen die Freiheit versprochen hatte und der sein Versprechen nur teilweise eingelöst hatte oder sollte man sagen: überhaupt nicht eingelöst? Schließlich begannen sich die verurteilenswerten Zustände am Ende des letzten Zeitalters zu erneuern!
Was ist, wenn er mich tötet?, überlegte Mergun wieder. Würde er auch auferstehen? Immer und immer wieder, so oft ihn auch irgendwer niederstechen würde?
Mergun konnte sich das kaum vorstellen.
Vielleicht ist dies auch gar nicht Sunev, überlegte Mergun dann weiter. Vielleicht ist dies nur ein Wesen, das so aussieht, so denkt, so handelt wie Sunev – aber nicht Sunev IST.
Diese Frage empfand Mergun als zu akademisch und deshalb ließ er sie fallen.
Sunev reichte Mergun versöhnlich die Hand und der rebellierende Gott nahm sie.
„So nimmst du den Frieden an, den ich dir biete, Mergun?“
„Ich nehme ihn an.“
„Das ist gut so, Freund. Es wird dir dann auch leichter fallen, mit den anderen Göttern Frieden zu schließen; denen, die bald auf diesem Berg erscheinen werden. Viele von ihnen sind dir bekannt – andere nicht. Alles kommt wieder. Auch das Buch der Götter wird neu entstehen. Glaub mir.“
Merguns Züge wurden düster. Luun hatte recht gehabt! Alles würde sich wiederholen. Alles.
Der ewige Kreis der Geschichte würde sich schließen.
Wiederholung! Mergun fasste sich an den Kopf. Alles wird sich wiederholen! Alles! Alles!
Aber es darf sich nicht alles wiederholen!, rief eine Stimme in ihm.
*
Viel später:
„Mergun?“
„Ja?“
Sie lagen an der Stelle, wo sie den bunten Vogel gesehen hatten.
„Mergun, warum ist der bunte Vogel nicht da?“
„Ich weiß es nicht, Lari.“
„Er scheint ausgeflogen zu sein.“
„Ob er weit weggeflogen ist?“
„Ich hoffe nicht, Mergun. Es beruhigt mich, wenn er über dem
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