Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
Göttern. Die Freiheit existiert nicht. Oder bedeutet es etwa Freiheit, sich Mergun zu unterwerfen und ihm seinen Willen unterzuordnen, ja, diesen geradezu aufzugeben? Ist das Freiheit? Es ist bestimmt nicht die Freiheit, für die ich gekämpft habe.
Und ihn ekelte jene Szene vor dem Tempel an. Aber zur Zeit konnte man so etwas im ganzen Lande sehen. Alle huldigten Mergun, alle glaubten an ihn. Es bedurfte nicht einmal eines Heeres von Zauberwesen oder Seelenlosen, um diese Massen in Schach zu halten, um sie zu versklaven. Sie taten es selbst, so wie sie es schon hundertmal getan hatten und wahrscheinlich immer wieder tun würden.
Es bedurfte nicht der glühenden, wahnsinnigen Augen eines Gottes, um ihnen die Seele zu nehmen. Sie taten es selber.
Alles umsonst!, durchzuckte es Irrtoc. Und sein Gesicht wurde sehr finster. Melancholie und Traurigkeit erfassten ihn und bestimmten sein Handeln.
Und Resignation.
Er hatte geglaubt, die Freiheit zu erlangen, und er hatte sie verloren. Er hatte Túlina gefunden und er hatte auch sie verloren.
Er hatte alles verloren, was er geliebt hatte, womit er sich verbunden gefühlt hatte. Seine Träume waren nicht in Erfüllung gegangen. Er hatte nicht die Kraft gehabt sie zu verwirklichen. Und auch das machte ihn sehr traurig.
Welchen Sinn hatte sein Leben noch?
Früher war er von Stadt zu Stadt gezogen und hatte seine Lieder gesungen und die Sterblichen damit auf ihre Situation aufmerksam gemacht. Aber heute?
Heute wollte niemand mehr seine Lieder hören.
„Eure Lieder sind zu melancholisch und ernst, zu kämpferisch und grausam und revolutionär für eine Zeit, wie sie jetzt anbricht“, hatte ihm erst vor einigen Tagen ein Wirt gesagt, in dessen Taverne er vorher oft gespielt hatte. „Niemand will jetzt noch Eure Schreckgeschichten von den Göttern hören, niemand will jetzt wissen, dass er sich selbst versklavt. Es ist eine fröhliche Zeit, die jetzt anbricht! Die Menschen können sich freuen, denn Mergun wird sie nicht ausbeuten und mit ihnen grausame Spiele treiben, wie es die alten Götter taten. Es ist eine fröhliche Zeit, Irrtoc, und in einer solchen sind fröhliche Lieder erwünscht. Komponiert doch ein paar lustige Stücke!“
Aber Irrtoc konnte keine fröhlichen Lieder schreiben, denn ihm erschien diese neue Zeit, von der jedermann sprach, durchaus nicht so glücklich wie den meisten seiner Zeitgenossen.
Die Betenden vor dem Tempel drückten nun ihre Gesichter in den Staub, erhoben sie kurz wieder, drückten sie dann abermals auf den Boden …
Weg!, dachte Irrtoc. Im Augenblick war dies der einzige Gedanke, der in ihm war. Weg! Flucht! Auf und davon!
Er wandte sich von dem Gebet der Massen ab und eilte wie ein Gespenst durch die Straßen Balans. Nur der Mond und die Finsternis waren bei ihm und begleiteten ihn auf seinem Weg, dessen Ende er nicht kannte. Schließlich kam er zum Hafen.
Ich muss ein Schiff nehmen!, überlegte er. Hinaus! Aufs Meer!
Weg! Weit weg!
Es war nur ein Schiff im Hafen zu finden. Irrtoc fand dies äußerst seltsam, aber es war nicht zu ändern.
Jenes Schiff machte auf ihn keinen guten Eindruck. Es war so schwarz wie die Nacht. Und es schien uralt zu sein. an Deck stand ein abgerissener Mann.
„Wohin fährt dieses Schiff?“, fragte Irrtoc.
Der Mann kam einige Schritte näher.
„Es bringt Euch zum Garten der weinenden Seelen“, sagte er.
„Was ist das für ein Garten?“
„Ein Ort, an dem man Frieden zu finden vermag.“
„Dann nehmt mich mit. Ich habe Frieden nämlich bitter nötig.“ Der Mann nickte kaum merklich.
„Das kann schon sein, mein Freund. Kommt an Bord, wenn Ihr mitfahren wollt. Ich lege gleich ab.“
Etwas zögernd kam Irrtoc an Bord. Der Mann reichte ihm die Hand.
„Ich bin Ugorn. Und wer seid Ihr?“
„Man nennt mich Irrtoc.“ Um ein Haar hätte er gesagt ‚Man nennt mich Irrtoc den Sänger’, aber das ließ er dann doch bleiben. Er war kein Sänger mehr. Seine Laute war zerschlagen, seine Lieder unerwünscht. Er ahnte in diesem Augenblick, dass er nie wieder in seinem Leben ein Lied singen würde.
„Ah, ich kenne Euch“, sagte Ugorn dann. „Ihr seid Sänger, nicht wahr. Ich habe Euren Liedern in der Vergangenheit oft gelauscht.“ Aber Irrtoc winkte müde ab.
„Das ist alles vorbei“, erklärte er. „Ich singe nicht mehr. Nie mehr.
Alles, wonach ich jetzt verlange, ist Frieden.“ Ugorns Gesicht wurde ernst.
„Ihr macht mir keinen fröhlichen Eindruck.“
„Da habt
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