Elfen und Goetter (Die Saga von Edro und Mergun - Komplettausgabe)
vernahmen die Wartenden ein schreckliches Geräusch, das ihnen den Atem verschlug. Es war ein Krachen. Ein Krachen, wie es entsteht, wenn Holz berstet. Das Schiff! Nein, es durfte nicht wahr sein! Schreiend sahen die Wartenden zu, wie das rote Schiff auf den tückischen Riffen zerschellte und unterging. Aber ihre Schreie wurden von niemandem gehört - nur vom Wind vielleicht. Wütend ballte Edro die Fäuste, aber er vermochte nun nichts mehr zu ändern. Es war zu spät. Es war vorbei.
Da erwachte Edro blitzartig. Erleichtert stellte er fest, dass alles nur Traum gewesen war. Aber dieser Traum war so seltsam realistisch gewesen. Edro hatte tatsächlich geglaubt, alles in der Wirklichkeit zu erleben.
Der Dakorier blickte sich um. Es war noch dunkel. Eine dichte Wolkendecke hatte den Himmel verhangen und ließ das Mondlicht nur als blassen Schimmer zur Erde. Eine Weile lag er wach da und lauschte dem nächtlichen Gesang des Dschungels. Da bemerkte er plötzlich einen riesenhaften Schatten am Himmel. Es war ein gigantisches geflügeltes Wesen. Mindestens so groß wie zwei oder drei Pferde. Glühende Augen starrten aus düsteren Höhlen und suchten den Boden ab. Dieses Wesen verursachte nicht den geringsten Laut.
Edros Hand glitt zum Schwert, obwohl er wusste, dass ihm eine solche Waffe im Fall des Kampfes ohnehin nicht viel nützen würde. Dann vernahm er ein gefährliches Fauchen und sah zwei weitere Paare gelber, wie glühende Kohlen leuchtender Augen. Die zweiköpfige Katze musste dieses seltsame Wesen am Himmel auch bemerkt haben.
Vorsichtig weckte Edro die anderen.
Mit einer seltsamen Ruhe zog das geflügelte, schwarze Wesen am Himmel seine Kreise. Nur das leise Rascheln schwarzer Schwingen war zu hören, aber das konnte ebenso ein vom Wind bewegter Baum sein. Doch wehte jetzt kein Wind. Eine düstere, unheilschwangere Stille war da. Der Gesang des Dschungels war verstummt.
"Ein seltsames Tier", stellte Kiria fest. "Aber in meiner Welt gab es ähnliches!"
"Dieses Tier sieht gefährlich aus", erklärte Lakyr.
"Ich kenne Vögel mit diesem Aussehen und von dieser Größe aus den alten Sagen und Liedern der Elfen", sagte Randir. "Sie sind gefährlich. Man sagt sogar, sie seien vernunftbegabt gewesen. Aber es heißt, sie hätten in alten, längst vergangenen Tagen gelebt, als diese Welt noch jung und die Elfen und andere, heute längst vergessene Völker mächtig waren. Zu einer Zeit, da der Mensch noch nicht über diese Welt wandelte. Ich wusste nicht, dass es die Daranar, so nennt man diese Wesen in der Elfensprache, noch gibt."
"Er scheint etwas zu suchen", sagte Mergun.
"Oder auf etwas zu warten!", warf Kiria ein.
"Beide Möglichkeiten können wahr sein. Und noch viele andere mehr. Wer kann schon sagen, was in dem Kopf dieses Daranar vor sich geht?", sprach Randir.
Der schwarze Daranar zog noch ein paar gemächliche Kreise und flog dann davon.
"Wir sollten uns wieder hinlegen und schlafen. Morgen haben wir wieder einen anstrengenden Tag vor uns", meinte Lakyr und Kiria nickte gähnend. Sie legten sich wieder hin. Randir hatte zuvor noch ein paar Zweige aufs Feuer gelegt und es zu neuer Glut angeregt. Aber Edro konnte zunächst nicht einschlafen. Müde betrachtete er die oft sehr seltsam geformten, uralten Baumriesen, die dahinziehenden Wolken und viele andere Wunder, die man normalerweise gar nicht wahrnahm. Doch übermannte ihn schließlich doch die Müdigkeit. Er fiel in einen unruhigen, traumlosen Schlaf.
An den folgenden Tagen kamen sie relativ schnell voran.
Sorgfältig beobachtete Edro jetzt von Zeit zu Zeit den Himmel über ihm. Er hielt nach dem großen Daranar Ausschau, aber er war nicht da.
Meile um Meile näherten sie sich Yumara. Die Stunden gingen dahin und meistens wurden sie schweigend verbracht.
"Er lebt! Er lebt!", schrie Mergun plötzlich. "Er lebt!", rief er und deutete auf seinen Fuß. Edro vermochte eine kleine Bewegung wahrzunehmen.
"Er lebt! Ich kann ihn bewegen!" Aber gleich darauf verzog der Mann von der Wolfsinsel das Gesicht. "Aber es tut weh!" Merguns Zustand besserte sich von diesem Augenblick an von Tag zu Tag.
Jeden Morgen konnte er seine Füße besser bewegen und schließlich auch seine Beine. Bald lief er an einer Krücke neben den anderen her.
Es ging zwar dadurch etwas langsamer, aber das war nicht schlimm.
Sie hatten keine große Eile damit, Yumara zu erreichen. Je weiter sie sich der Stadt näherten, desto besser wurde die Dschungelstraße. Als sie
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