Elfen wie Stahl
registrierte der Vizekönig, dass er vergessen hatte, den Laden zu schlieÃen nach dem Besuch der Bestie letzte Nacht. Sie hatte einen anderen toten Sreex im Maul gehabt. Er beobachtete, wie der Lichtstrahl über den steinernen Boden glitt und die braunen Flecken getrockneten Blutes beleuchtete, die von der letzten Mahlzeit des Drachen übrig geblieben waren.
Während das Licht über den Stein kroch, tanzte nicht eine einzige Staubwolke in dem Strahl, so eiskalt war die Luft in dem Raum.
So kalt und so rein.
Der Vizekönig trat ans Fenster, öffnete die metallenen Fensterläden etwas weiter und blickte hinaus. Es war das erste Mal seit Tagen, dass er das tat. Die Sonne schien und wärmte die
herannahenden Regenwolken auf, sodass der Regen warm und unbefriedigend sein würde, wenn er endlich fiel. Alles drauÃen war weich vor Feuchtigkeit. Das Land dampfte und blubberte wie ein gärender Morast, durch den teilnahmslos Elfkynan schlurften. Ihre müde Trostlosigkeit war in der stickigen, feuchten Luft fast zu schmecken.
Es war der Geschmack der Rebellion.
Ein Exempel musste statuiert werden. Nicht nur eines oder auch nur eine Handvoll, sondern Dutzende, vielleicht Hunderte. Zermalme den Geist, dann wird der Körper folgen. Aber wen? Der Vizekönig zog die Fensterläden zu und verschloss sie, bevor er sich umdrehte und wieder an den Tisch in der Mitte des Raumes trat. Hier, in diesem Raum, war es so kalt wie auf dem Gipfel eines Berges im tiefsten Winter. Die Kälte brachte Klarheit mit sich. Sein Verstand analysierte Ideen, formulierte Konzepte und nahm Ziele wahr, und all das mit einer rasiermesserscharfen Präzision, von der er zuvor nur hatte träumen können. Hier hatte er die Macht und die Vision, die Dämmerung eines groÃartigen neuen Zeitalters zu erkennen.
Er trat an den Tisch, streckte die Hand aus und fuhr sanft mit den Fingern über seine Oberfläche. Die Kälte drang in seine Haut wie Scherben aus schwarzem Eisen, und er atmete einmal lange und langsam aus, erfüllt von reinstem Vergnügen, ohne daran Anstoà zu nehmen, dass sich keine Atemwolke vor seinem Mund bildete.
Er verstand es jetzt, dieses Ding, das ihr Emissär seinen Ryk Faur genannt hatte.
Seine Bedürfnisse waren einfach und monströs zugleich, und er genoss es, es zu füttern. Es zu füttern war, wie seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen, und dadurch festigte sich das Band zwischen ihnen.
»Zeig es mir«, sagte er und legte beide Hände fest auf den Tisch. Die Kälte umhüllte ihn, schälte die Fetzen seiner Menschlichkeit Streifen um Streifen von ihm ab und ersetzte sie durch etwas Schwereres, Stärkeres.
Die Luft in dem Raum wurde schneidend scharf vor Kälte, als eine dünne Eisschicht die Wände überzog und schlieÃlich auch die Decke bedeckte. Die Tischplatte blieb jedoch eisfrei; ihre Oberfläche verschwand, als die grüne Landschaft von Elfkyna darauf erschien. Ihre üppige Vielfalt wimmelte von Leben, erfüllt von allen Arten von Tieren einschlieÃlich einer vierbeinigen Kreatur, an der er besonders interessiert war.
Die Stählernen Elfen waren leicht zu finden. Ihre Anwesenheit auf dem Boden war so offenkundig wie ein Leuchtfeuer in schwärzester Dunkelheit. Sie marschierten in nordöstlicher Richtung und folgten dem Lauf eines breiten braunen Flusses.
»Luuguth Jor.« Dessen uralte Geschichte strahlte unter der dünnen Haut von Leben, das dort existierte. Die Erinnerungen dieses Ortes reichten tief in die Erde hinein, waren an Dinge gebunden, die weit älter waren als alles, was selbst er sich vorstellen konnte. Er wusste, dass man dort den Stern finden würde. Zuvor hatte er sich wenig darum gekümmert, ob der Stern wirklich ein verlorener Talisman einer uralten Magie war, jetzt jedoch war das bedeutender als alles andere, denn es war wichtig für sie.
Er wühlte seinen Verstand tiefer in die heulende Kraft der Seele des Tisches. Der Tisch erzitterte, beruhigte sich dann jedoch. Der Vizekönig sah die Garnison in Luuguth Jor und konnte ihre Furcht in seinem Mund schmecken. Man hatte sie gejagt, obwohl einige noch geblieben waren. Die Verlockung, nach ihnen zu greifen und sie zu zerschmettern, war so stark, dass der Vizekönig sich erlaubte, mit einer Hand
über die Tischplatte zu gleiten, bis seine Finger über einem einzelnen Soldaten ruhten. Dann ballte er langsam die Faust.
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