Elfenbann
zurück.«
»Und es macht dir wirklich nichts aus, so viel allein zu sein?«
Yuki warf die Haare über die Schulter. »Wirklich nicht.« Sie lächelte. »Ich habe keine Angst im Dunkeln.« Tamani wand sich innerlich, weil sie ihm so offensichtlich imponieren wollte.
»Haben denn deine Eltern nichts dagegen?«
Ihre Miene spiegelte ihre Gefühle: Argwohn, dann Entschlossenheit. Er ging näher an sie heran, um Interesse auszustrahlen – ohne die Gier nach Informationen, die dem Ganzen zugrunde lag. »Meine Eltern sind nicht mehr da«, sagte sie schnell. »Es gibt nur noch Klea und
mich. Also meistens nur mich. Diese Nummer mit dem ›Austauschprogramm‹ vereinfacht sozusagen nur den … Übergang.« Sie sah ihn immer wieder nervös von der Seite an. »Ich bin hier, um einen neuen Anfang zu machen.«
»Ein Neuanfang ist immer gut. Meine … Eltern sind auch nicht mehr da. Manchmal wünschte ich, das wüsste niemand. Immer diese mitleidigen Blicke, dabei ist es nur …«
»Ich weiß, wovon du redest. Also, bitte …«, sagte sie und fasste seinen Arm. »Erzähle es niemandem, ja?«
Er bedrängte sie nicht weiter. Nicht heute, nicht zu diesem Thema. »Natürlich nicht«, beruhigte er sie lächelnd. Dann legte er seine Hand auf ihre. »Mir kannst du vertrauen.«
Sie strahlte ihn an, aber ihr Blick war immer noch misstrauisch. »Und wie war die Zeit ohne Unterricht?«
Beim Auge der Hekate, wer ist hier sonderbar? Tamani zuckte die Achseln und setzte eine verlegene Miene auf. »Blöd. Gut, dass es vorbei ist.«
»Es wird immer noch viel über eure Schlägerei geredet.« Yukis angespanntes Lachen hatte einen falschen Unterton. Nach einem Augenblick des Zögerns sagte sie: »Jun hat gehört, bei eurem Streit wäre es um Laurel gegangen.«
»Um Laurel?« Tamani wollte völlig verwirrt rüberkommen. »Laurel Sewell? Wieso das?«
»Ich habe gehört, sie hätte mit euch Schluss gemacht oder so was gesagt, wie: Sie würde sich einen aussuchen.«
»Oh wow«, sagte er und beugte sich verschwörerisch
vor. »Das stimmt von vorne bis hinten nicht. Laurel ist cool, sie hilft mir in Politik. Davon habe ich nämlich keine Ahnung. Ich glaube, sie und David haben da was falsch verstanden. Wenn du weißt, was ich meine«, sagte er frech, fast spöttisch.
»Heißt das, du bist nicht in Laurel verknallt?«
»Kein bisschen«, antwortete er und hasste diese Worte. Es fühlte sich an wie Gotteslästerung. »Sie ist echt nett. Aber sonst einfach nicht mein Typ. Viel zu … blond.«
»Wie sieht dein Typ denn aus?«, fragte Yuki plötzlich wieder schüchtern.
Tamani hob die Schultern und lächelte leise. »Das weiß ich, wenn es so weit ist«, sagte er und erwiderte ihren Blick, bis sie verlegen und gleichzeitig erfreut wegsah.
Neunundzwanzig
F eierst du Thanksgiving dieses Jahr bei deinem Vater?« , fragte Laurel David. Sie saßen mit Chelsea beim Mittagessen in der Cafeteria, weil ihr üblicher Platz nach dem nächtlichen Sturm ein Schlammloch war. Chelsea hatte sich beklagt, draußen wäre es zu kalt, was sogar Laurel verstehen konnte. Deshalb mussten sie sich heute mit dem Lärm und Gewühl abfinden.
»Schön wär’s«, antwortete David. »Dann würden wir nämlich tierisch viel beim Chinamann bestellen, abhängen und drei Tage Fußball gucken. Genauer gesagt, er würde Fußball gucken und ich für die Abschlussprüfungen lernen. Aber nein, meine Großeltern haben zu einem Familienfest nach Eureka geladen. Sie sind todsicher, dass sie dies Jahr sterben werden und wollen uns vorher alle noch mal sehen.«
»Sind sie euch damit nicht schon letztes Jahr Weihnachten gekommen?«, fragte Laurel.
»Und im Jahr davor. Dabei sind sie gar nicht mal so alt. Sie sind, lass mich lügen, vielleicht fünf Jahre älter als deine Eltern. «
Es war schön, wieder mit David zu reden. Laurel hatte sowohl Tamani als auch David gefragt, was bei der Nachhilfe passiert war, aber Tamani meinte, das wäre nur was
für Jungs, und David wechselte stets geschickt das Thema. Offenbar hatten sie eine Vereinbarung getroffen, einen Waffenstillstand beschlossen oder irgendwas – was, konnte Laurel sich beim besten Willen nicht vorstellen –, jedenfalls verschonten sie sich seitdem mit bösen Blicken in den Gängen und grüßten sogar hin und wieder freundlich. Außerdem hatten sie aufgehört, sie zu einer Entscheidung zu drängen, aber das konnte Laurels Meinung nach nicht von Dauer sein.
»Trotzdem, ein freier Tag ist ein freier Tag«, sagte
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