Elfenbann
uns wird das nicht groß gefeiert«, sagte Tamani lässig. »Wahrscheinlich werde ich einfach faulenzen.«
»Willst du an Thanksgiving zu mir kommen?«, fragte Laurel, als sie Tamani vorm Schultor einholte. Er ging ihr seit Tagen aus dem Weg, und sie wusste nicht, warum.
Er versteifte sich. »Echt?«
»Ja klar, warum nicht?« Die Einladung sollte locker flockig klingen. »Wir bekommen keinen Besuch. Yuki ist nicht da. Du würdest sowieso hinterm Haus rumlungern, oder nicht?« Sie kicherte nervös.
Doch Tamani hatte noch immer die Stirn in Falten
gelegt. »Ich weiß nicht recht. Deine Eltern sind doch da.«
»Na und? Es ist ja nicht so, als würdet ihr euch nicht kennen.« Sie sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Sie wissen sogar alles über ihren Küchenboden.«
Tamani stöhnte. »Erinnere mich nicht daran.«
Er kaute auf seiner Unterlippe. »Es fühlt sich komisch an«, sagte er schließlich. »Wegen deiner Eltern. Diese Menschen haben dich großgezogen, es ist irgendwie blöd.«
»Ist es blöd, weil sie meine Eltern sind oder weil sie Menschen sind?« Als Tamani nicht sofort antwortete, boxte sie ihn auf den Arm. »Raus mit der Sprache.«
»Beides. Okay, weil sie deine menschlichen Eltern sind. Es ist nur so, dass du eben keine Menscheneltern haben solltest. Eigentlich hättest du überhaupt keine Eltern.«
»Tja, dann gewöhne dich lieber daran, denn meine Eltern gehen nicht weg.«
»Das stimmt, aber … du«, sagte Tamani. »Irgendwann. Oder?«
»Ich habe nicht vor, bei meinen Eltern zu wohnen, bis ich über vierzig bin, das ist richtig.« Laurel wich ihm aus.
»Jaja, das meinte ich nicht. Du kommst doch nach Avalon zurück, oder nicht?«
Wenn er sie so direkt fragte, war es schwerer. Sie betrachtete sekundenlang ihre Hände. »Warum fragst du mich das jetzt?«
Tamani zuckte die Achseln. »Ich wollte dich das schon länger fragen. Es kommt mir vielleicht nur so vor, aber die Angelegenheiten der Menschen werden dir immer wichtiger. Ich hoffe, du vergisst nicht, wo du … hingehörst.«
»Ich weiß aber nicht, ob ich dorthin gehöre«, sagte sie aufrichtig.
»Was soll das heißen, du weißt es nicht?«
»Ich weiß es wirklich nicht.« Laurel blieb dabei. »Ich habe mich noch nicht entschieden.«
»Was würdest du denn sonst machen?«
»Ich könnte zum Beispiel aufs College gehen.« Es hörte sich merkwürdig an, wenn sie es laut aussprach. Irgendwie hatte auch sie erwartet, dass sie eher zu Avalon tendieren würde, wenn David sie nicht mehr bestürmte, in der Menschenwelt zu bleiben. Doch die Trennung von ihm hatte ihr die Entscheidung nicht abgenommen, und sie musste sich überlegen, ob sie vielleicht gar nicht ihm oder ihren Eltern zuliebe aufs College ginge, sondern weil sie selbst es gerne wollte.
»Wieso denn? Dort können sie dir nichts Brauchbares beibringen.«
»Falsch«, konterte Laurel. »Ich kann dort nur nichts lernen, was du für brauchbar hältst. Ich bin aber nicht du, Tamani.«
»Jetzt im Ernst: Das würdest du wollen? Noch mehr Schule?«
»Kann schon sein.«
»Ich muss gestehen, für mich ist es das Schlimmste, den ganzen Tag im Klassenraum abzusitzen. Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum du das noch länger tun möchtest. Ich hasse es.«
»Aber in Avalon tue ich doch auch nichts anderes. Egal, wohin ich gehe, überall muss ich lernen.«
»Aber in Avalon lernst du etwas Nützliches. Nicht solchen
Blödsinn wie Quadratwurzelberechnung! Wofür soll man das jemals brauchen?«
Laurel lachte. »Irgendwer wird schon etwas damit anfangen können.« Sie machte eine Pause. »Ich würde ja auch nicht Mathe studieren. Abgesehen davon finde ich jegliches Wissen nützlich.«
»Meinetwegen, aber …« Doch er sprach nicht weiter, und Laurel war erleichtert, dass sie das Thema nicht vertiefen mussten. »Ich verstehe es einfach nicht«, fuhr er dann doch fort. »Dieses menschliche Beharren auf Unterricht, das interessiert mich nicht die Bohne. Die Menschen, die finde ich interessant. Dich finde ich interessant. Sogar …« Er zögerte nur kurz. »Sogar deine Eltern sind interessant. So seltsam sie auch sind.« Tamani lächelte.
»Gut. Was ist jetzt mit Thanksgiving? Kommst du oder nicht?«
Er lächelte. »Du bist doch auch da, oder?«
»Selbstverständlich.«
»So lautet dann auch meine Antwort auf deine Frage.«
»Schön.« Laurel sah ihn nicht an. »Dann kann ich dir auch zeigen, was ich über das Pulver herausgefunden habe«, flüsterte sie.
»Du hast
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