Elfenbann
ist«, fügte er hinzu und zeigte durch ein Panoramafenster auf einen schwarzsamtigen Himmel, an dem die ersten Sterne aufgingen.
Jamison geleitete sie durch die vergoldete Tür – die nach einer winzigen Handbewegung seinerseits weit aufging – und die Treppe hinunter bis in die Halle, die mittlerweile fast leer war. Phosphoreszierende Pflanzen erleuchteten den weiten Raum mit sanftem Licht. Nur Jamisons Leibwächter, die Am fear-faire, warteten auf ihn, allzeit bereit, und umringten ihn, sobald er am Fuß der Treppe angelangt war.
»Yasmine ist schon im Bett«, sagte Jamison, als sie durch einen Torbogen in Form eines Drachen gingen. »Deshalb werde ich euch das Tor öffnen.« Er lachte. »Diese alten Stängel sind allerdings viel langsamer als eure jungen. Geht nur schon in die Akademie. Ich mache mich auf den Weg zum Torgarten, wo wir uns dann gleich treffen.«
Laurel und Tamani waren Jamison etwa fünfzig Schritte voraus, als sie den Innenhof verließen. Sobald sie außer Hörweite waren, verlangsamte Laurel ihre Schritte, um auf dem breiten Weg neben Tamani zu gehen. »Ich hätte ihm sagen sollen, dass es meine Idee war«, sprudelte sie hervor.
»Das stimmt nicht«, erwiderte Tamani leise. »Ich habe es vorgeschlagen.«
»Meinetwegen, aber ich habe gedrängelt, bis sie uns hereingelassen haben. Ich habe zugelassen, dass Jamison dich gescholten hat, dabei hätte er mit mir schimpfen müssen.«
»Oh bitte.« Tamani grinste sie an. »Ich würde mich jeden Tag für dich ausschimpfen lassen und mich noch darüber freuen.«
Laurel wandte verwirrt den Blick ab und ging schneller. Zum Glück ging es bergab, sodass die Lichter der Akademie schon bald in Sicht kamen und sie durch die Dunkelheit geleiteten. Laurel sah zu dem imposanten grauen Bauwerk hoch und musste lächeln.
Seit wann fühlte sich die Akademie wie ihr Zuhause an?
Acht
W ährend man im Winterpalast schon schlief, waren Schüler und Bedienstete in der Akademie trotz der späten Stunde schwer beschäftigt. Auch sonst gab es immer jemanden, der noch an einer Mixtur arbeitete, für die Sternenlicht erforderlich war. Als sie auf die Treppe zugingen, winkte Laurel einigen Elfen zu, die sie kannte, und die große Augen machten, als sie so plötzlich auftauchte. Doch diszipliniert, wie sie waren, wandten sie sich wieder ihren Aufgaben zu, ohne einen Kommentar abzugeben, und ließen Laurel und Tamani in Ruhe.
Kaum hatte Laurel den Fuß auf die unterste Stufe gesetzt, rauschte eine große Elfe auf sie zu. Sie war so unspektakulär gekleidet wie alle Frühlingselfen, die hier arbeiteten. »Es tut mir leid, aber die Besuchszeit ist vorbei. Ihr müsst morgen wiederkommen.«
Laurel sah sie überrascht an. »Ich bin Laurel Sewell«, sagte sie.
»Leider kann ich keinen Besuch gestatten, Laurelsjul«, erwiderte die Elfe unerbittlich und quetschte Laurels Vor- und Nachnamen in ein Wort.
»Ich bin Laurel. Sewell. Lehrling. Ich gehe hoch in mein Zimmer.«
Die Elfe riss die Augen auf und verbeugte sich sofort.
»Ich bitte untertänigst um Entschuldigung. Ich habe dich noch nie gesehen. Ich habe nicht gemerkt …«
»Schon gut«, schnitt Laurel ihr das Wort ab. »Das macht nichts. Wir brauchen nicht lange und sind gleich wieder weg.«
Der Elfe war das schrecklich peinlich. »Hoffentlich bin ich dir nicht zu nahe getreten – selbstverständlich kannst du hier bleiben!«
Laurel zwang sich, der Elfe ein warmherziges Lächeln zu schenken – offenbar war die Frühlingselfe neu und hatte Angst, entlassen zu werden. »Oh nein, das hat nichts mit dir zu tun. Ich muss auf meinen Posten zurück.« Sie zögerte. »Könntest du … würdest du bitte Yeardley Bescheid sagen, dass ich hier bin? Ich muss mit ihm sprechen.«
»In deinem Zimmer?« Die Elfe wollte sich gern gefällig erweisen.
»Das wäre wunderbar, vielen Dank.«
Die Elfe machte einen tiefen Knicks – erst vor Laurel und dann vor Tamani –, ehe sie davoneilte, um Laurels Lehrer aufzusuchen.
Tamani trug eine sonderbare Miene zur Schau, als Laurel ihn nach oben und durch den Gang führte. Ein Lächeln erblühte auf ihrem Gesicht, als sie ihren schnörkelig geschriebenen Namen auf der vertrauten Tür aus Kirschbaumholz entdeckte.
Alles war genauso, wie sie es zurückgelassen hatte, obwohl sie wusste, dass hier regelmäßig geputzt wurde. Sogar die Bürste, die sie mitten auf dem Bett vergessen hatte, lag noch da. Laurel wollte sie schon mitnehmen, aber dann besann sie sich anders und räumte
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