Elfenbann
gezähmt, der ihm locker auf den Rücken fiel.
»Was macht der denn hier?«
»Oh«, sagte Tamani, als fiele es ihm gerade wieder ein. »Der stellvertretende Rektor hat um ein Gespräch mit mir und meinem ›Onkel‹ gebeten. Wegen gestern.« Tamani zuckte die Achseln.
Laurel zog die Augenbrauen hoch, als Shar, der mit stählernem Blick alles beobachtete, näher kam. »Tja, obwohl ich da gerne Mäuschen spielen würde, muss ich jetzt sofort gehen.« Mit diesen Worten verschwand sie durch die Eingangstür und fing an zu rennen, um es bis zum letzten Klingeln in den Klassenraum zu schaffen.
»Mr Collins«, sagte der stellvertretende Rektor, Mr Roster, schlug eine Akte auf und legte sie auf seinen Schreibtisch. Dann setzte er sich auf seinen quietschenden Bürostuhl.
Ich hasse ihn , dachte Tamani.
»Vielen Dank, dass Sie gekommen sind«, sagte Mr Roster zu Shar.
Wie Tamani erwartet hatte, wollte Shar sich gar nicht erst setzen, sondern stand mit verschränkten Armen vor dem Menschen, den er mit einer unmissverständlichen Arroganz ansah. Tamani, der nur selten erlebt hatte, dass Shar einen anderen Blick aufsetzte, musste schmunzeln, als er sich vorstellte, wie er auch seine Gefährtin Ariana so angesehen hatte und wie sie es ihm abgewöhnt haben mochte. Er musste hüsteln, um sein leises Lachen zu kaschieren.
Shars Blick wanderte von ihm zu Mr Roster und zurück. »Keine Ursache«, sagte er aalglatt. »Und worin liegt das Problem?«
»Tam hat sich gestern geschlagen«, sagte der stellvertretende Direktor und sah Tamani streng an.
Shar verzog keine Miene. »Wenn ich richtig informiert bin, wurde Tam angegriffen und hat sich daraufhin verteidigt.«
Mr Roster geriet ins Stottern. »Äh, ja, aber vorher wurde ordentlich geschubst, woraufhin …«
»Mein … Neffe soll also bestraft werden, weil der andere Junge sich nicht beherrschen konnte?«, fragte Shar unbeeindruckt.
»Die beiden Jungen haben sich nichts geschenkt und
deshalb werden auch beide Jungen bestraft, so ist es hier Usus«, erklärte Mr Roster mit fester Stimme. »Da Tam erstmals auffällig geworden ist, hoffen wir selbstverständlich, dass sich dieser Vorfall nicht wiederholen wird …«
»So etwas wird nicht wieder vorkommen«, sagte Shar und sah Tamani mit hochgezogenen Augenbrauen an, der sich bereits einiges hatte anhören müssen, weil er die Beherrschung verloren hatte. Ausgerechnet gegenüber David, der ihnen mit seinem Wissen über Avalon eine Menge Probleme bereiten könnte, wenn er wollte. Die Strafpredigt von seinem Vorgesetzten war weitaus schlimmer gewesen als alles, was diesem menschlichen Verwaltungsheini einfallen konnte.
»Das freut mich zu hören. Nun, Mr Collins, dann darf ich die Gelegenheit ergreifen, noch ein anderes Thema anzuschneiden. Möglicherweise wissen Sie gar nicht, dass Ihr Neffe fast in jedem der von ihm belegten Kurse durchzufallen droht. Er erscheint so gut wie nie zum Unterricht und trägt im Allgemeinen erheblich zur Störung der Lernatmosphäre bei.«
Das Letzte war eine freche Lüge, fand Tamani. Er störte nie. Er zeigte auch nie auf, um eine Frage zu beantworten, sondern saß meistens die Zeit ab und lauschte nach irgendwelchen Anzeichen einer Bedrohung für Laurel. Wenn man seine Noten und seine gelegentlichen Schwänzereien außer Betracht ließ, war er ein vorbildlicher Schüler.
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Shar ausdruckslos, was den stellvertretenden Rektor sichtlich nervös machte.
»Ja, nun, normalerweise schließen wir Schüler, die sich geschlagen haben, einige Tage vom Unterricht aus. Aber bei seinen schlechten Noten wäre eine andere Strafe vielleicht geeigneter. Damit … er sich bessert.«
Als Shar Mr Roster einen Augenblick lang verständnislos ansah, hätte Tamani beinahe gegrinst. Trotz seines Intensivtrainings auf dem Landgut hatte Shar die Feinheiten des menschlichen Schulsystems nie wirklich begriffen. Es war ihm aber auch völlig egal.
»Und was schwebt Ihnen vor?« Zum ersten Mal merkte Tamani, wie altmodisch Shar sich ausdrückte, erst recht verglichen mit den Jugendlichen, mit denen Tamani es alltäglich zu tun hatte. Es war wirklich gut, dass Shar und er Englisch mit Akzent sprachen – anscheinend verschleierte ein guter Akzent auch grammatikalische Unebenheiten.
»Ja, also wenn er mit seinen Klassenkameraden den Abschluss schaffen will, muss er sich in allen Fächern verbessern.« Mr Roster faltete die Hände auf dem Schreibtisch. »Was halten Sie von
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