Elfenbann
sich um. »Ja?«, rief sie in der inständigen Hoffnung, dass sie nicht halb so atemlos klang, wie sie sich fühlte. Die Klinke wurde heruntergedrückt, und ehe Laurel etwas sagen konnte, öffnete ihre Mutter die Tür.
»Dein Vater ist nach Hause gekommen«, sagte sie. »Komm runter und bring es hinter dich.«
Laurel machte nur eine winzige Drehung und schielte aus dem Augenwinkel ins Zimmer. Tamani war weg.
Sie nickte und ging mit ihrer Mutter nach unten.
»Und, ist es schlimm?« Zu Laurels Erstaunen lümmelte Tamani sich auf ihrem Bett, als sie in ihr Zimmer zurückkehrte.
»Wo warst du?«, fragte Laurel leise.
»Wenn man nicht weiß, wohin, kriecht man am besten unters Bett«, sagte Tamani und grinste.
»Aber dafür hattest du doch gar keine Zeit«, protestierte Laurel.
»Ich bin eben schnell.«
Laurel schüttelte den Kopf. »Ich dachte, wir wären erledigt.«
»Und, bist du erledigt?« Laurel fragte sich, ob er das Wort erledigt zum ersten Mal benutzte.
»Eine Woche Hausarrest«, sagte sie, zuckte die Achseln und setzte sich neben Tamani. Es war immer noch ein komisches Gefühl, wenn er hier war. Vollkommen in einem Kuss aufzugehen, war eine Sache, aber ein Alltagsgespräch mit Tamani kam ihr fast unmöglich vor. Es war anders als mit David, der ein Fixpunkt in ihrem Leben war – so angenehm vertraut wie Lieblingspantoffeln. Konnte Tamani ihr das ersetzen, jetzt, da er in ihrer Nähe wohnte und sie sich täglich sahen?
»Soll ich dich diese Woche dann lieber in Ruhe lassen, damit du die Strafe voll auskosten kannst?«, fragte Tamani mit ernster Miene.
Laurel riss die Augen auf, aber Tamani musste grinsen, und sie boxte ihn auf den Arm.
Er schnappte sich ihre Hand und hielt sie einen Augenblick lang fest, ehe er seine Finger mit ihren verflocht und Laurel zu sich hinunter zog. »Heißt das, ich darf weiterhin kommen und dir Gesellschaft leisten?«, fragte er ruhig und sah sie mit seinen hellen leuchtenden Augen an.
Laurel wusste es nicht genau. Sie war fast zwei Jahre mit David zusammen gewesen, und es war kein Tag vergangen, an dem sie ihn nicht geliebt hätte. Und auch wenn jetzt Schluss war, kam es ihr doch vor, als würde sie ihn mit Tamani betrügen, nur weil er bei ihr war. Sie hatte Davids Eifersucht und seine Launen satt, aber bedeutete
das wirklich, dass sie ihn nicht mehr liebte? Außerdem hatte sie an dem Morgen eigentlich nicht nur David abgewiesen. Sie zweifelte nicht daran, dass Tamani den Streit vom Zaun gebrochen hatte, und was machte sie? Sie belohnte ihn auch noch dafür. Es sprach so viel für ihn, dass sie seine Fehler mit Freuden übersah. Bedeutete das etwa, dass sie in Tamani verknallt war?
Konnte man in zwei Menschen gleichzeitig verliebt sein?
»Willst du schlafen gehen?«, flüsterte Tamani.
»Mmm?«, erwiderte Laurel und öffnete die Augen.
»Darf ich hier bleiben?«, flüsterte Tamani ihr ins Ohr.
Jetzt riss sie die Augen ganz weit auf. »Hier?«
Er nickte.
»Wie, die ganze Nacht?«
Er drückte sie an sich. »Bitte! Nur zum Schlafen.«
Sie hob den Kopf und küsste ihn schnell, um ihre Antwort zu versüßen. »Nein.«
»Warum denn nicht?«
»Weil es irgendwie komisch wäre.« Sie zuckte die Achseln. »Und meine Eltern würden durchdrehen.«
»Sie müssen ja nichts merken«, sagte Tamani grinsend.
»Das weiß ich auch«, sagte Laurel ernst und legte ihm eine Hand auf die Brust. »Aber ich würde es mitbekommen. Ich lüge sie nur ungern an. Es ist alles viel besser geworden, seit ich mir angewöhnt habe, die Wahrheit zu sagen. Viel besser.«
»Du hast ihnen aber nicht erzählt, dass ich schon mal hier war, oder dass ich vorhabe, dich nächste Woche zu besuchen.«
»Nein, aber das sind Kleinigkeiten. Wenn du hier bliebest, wäre das wichtig.«
»Okay.« Tamani gab klein bei und beugte sich vor, um sie ein letztes Mal zu küssen. Er lächelte, als sie sich an Stirn und Nase berührten. »Ich will nicht gehen, aber wenn du es von mir verlangst, tue ich es natürlich.«
Laurel lächelte. »Ja, das verlange ich«, sagte sie gähnend.
Am nächsten Morgen wusste Laurel nicht mehr, wie er gegangen war, oder auch nur wann. Doch er war fort und neben ihrem Kissen lag eine Wildblume.
Vierundzwanzig
L aurel trödelte in ihrem Auto, sie hatte Magenschmerzen vor Angst. Es war fast noch schlimmer als an dem ersten Tag in der Schule vor zwei Jahren. Damals hatte sie befürchtet, sich vor lauter Fremden lächerlich zu machen, und jetzt musste sie zur Schule gehen
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