Elfenbann
Stängel schrien danach, hinterher zu rennen und zu kämpfen.
»Hast du das gesehen?«, flüsterte Shar.
»Ja.« Tamani hätte sich nicht gewundert, wenn die Orks hinter einem Baum hervorgesprungen wären, doch es blieb still im leeren Wald. Er starrte auf die Stelle, wo die Orks eben noch gestanden hatten. Der Schmutzigere von beiden hatte einige Blutstropfen des geschlachteten Tieres auf den Blättern hinterlassen. Tamani folgte den Blutstropfen bis zum Rand einer kleinen Lichtung, wo die Orks stehen geblieben waren. Die rote Spur endete dort, wo sie verschwunden waren.
Er kniete sich hin, um die Stelle genauer zu untersuchen, aber das Blut verriet ihm nichts. Tamani ging weiter und behielt den Baum vor ihm im Auge. Als er die Strecke zur Hälfte zurückgelegt hatte, drehte er sich um.
Der Blutstropfen war nicht etwa hinter ihm, sondern weiter links.
Doch er war in einer direkten Linie auf den Baum zugegangen.
»Was machst du da?«, fragte Shar.
»Warte kurz«, antwortete Tamani verwirrt. Er ging zu dem Blutstropfen zurück und versuchte es noch einmal. Diesmal konzentrierte er sich auf einen anderen Baum und ging halb darauf zu. Als er sich umdrehte, war der Tropfen hinter ihm auf der rechten Seite.
Tamani ging wieder in die Knie und betrachtete die Bäume, die seiner Meinung nach vor ihm standen, es in Wirklichkeit aber nicht taten. »Shar«, sagte er, als er sich vergewissert hatte, dass er auf den Blutstropfen stand, mit dem Rücken zu der Spur, die er verfolgt hatte. »Stell dich vor mich.«
Als er vortrat, schien es so, als folgten Shars Füße einem diagonalen Weg. Nach zwei weiteren Schritten blieb er stehen und drehte sich mit großen Augen um.
»Verstehst du jetzt?«, fragte Tamani. Das verwirrte Gesicht seines Lehrers entlockte ihm trotz ihrer misslichen Lage ein Lächeln.
Als Shar auf die Stelle blickte, wo er gerade noch gestanden hatte, stemmte Tamani die Füße in die Erde und streckte die Hände aus. Er spürte nichts, aber je weiter er sie ausstreckte, umso weiter spreizten sich seine Hände. Als er sie wieder aneinanderlegen wollte, kamen sie wie von selbst auf seine Brust zurück. »Shar!«, flüsterte Tamani keuchend. »Mach mir das nach.«
Shar brauchte ein wenig, aber dann tastete auch er mit ausgestreckten Händen die unsichtbare Absperrung ab, die den Raum um sie herum zu verbiegen schien. Es kam ihnen vor, als hätte jemand einen sehr kleinen Kreis aus dem Universum geschnitten, eine Art Kuppel, die sie nicht sehen, geschweige denn betreten konnten.
Doch irgendwie kam man dort hinein, das wusste Tamani ganz genau. Das war der Ort, wohin die Orks verschwunden waren.
»Wenn ich nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, wie die Orks auf einmal weg waren, würde mir hier gar nichts auffallen«, sagte Tamani und ließ die Arme sinken.
»Aber wir können es nicht sehen und nur indirekt fühlen«, erwiderte Shar, der mit verschränkten Armen in die Dunkelheit starrte. »Wie sollen wir eine Mauer durchbrechen, die wir nicht anfassen können?«
»Die Orks sind direkt hindurchgegangen«, antwortete Tamani. »Es kann sich also nicht um eine Mauer im engeren Sinne handeln.«
Shar entfernte sich ein wenig und hob einen Stein auf, den er in Richtung der imaginären Mauer warf. Der Stein flog in hohem Bogen darauf zu und verschwand ohne die geringste Störung seiner Flugbahn.
Das spornte Tamani dazu an, ein Stöckchen aufzuheben. Er ging vorwärts bis zu der Stelle, wo er sich eben umgedreht hatte, und stocherte dort mit dem Stock herum. Es war kein fassbares Gefühl, nichts behinderte ihn in seiner Bewegungsfreiheit, doch wenn er meinte, einen Ausfallschritt nach vorn zu machen, zeigte der Stock zur Seite. Verwirrt wollte er schon zurückgehen, als ihm noch eine Idee kam.
Vielleicht ist es auf Pflanzen eingestellt.
Er warf das Stöckchen gegen die Absperrung und erwartete eigentlich, dass es davon abprallen würde. Doch es verschwand ebenso wie vorher der Stein.
Also doch nicht.
»Da ist eine Art Abwehr«, flüsterte Tamani.
»Seit wann praktizieren Orks derartige Magie?«, fragte Shar.
»Das können sie gar nicht«, antwortete Tamani mit finsterer Miene. »Deshalb müsste man sie eigentlich leicht überwinden können.«
»Ach wirklich«, sagte Shar voller Ironie.
Tamani musterte das geheimnisvolle Nichts. »Ich kann Dinge hindurch werfen, aber ich kann nicht mit einem Stock hindurch stechen. Meinst du, du könntest mich hindurch werfen? «
Shar sah ihn lange an, aber dann zog
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