Elfenblick
Gesicht verzog und zurück auf ihren Rücken sackte.
»Bist du verletzt?« Erin klang schon wieder besorgt.
»Nein, ich glaube nicht. Zumindest glaube ich nicht, dass es etwas Schlimmes ist. Ich hatte vorhin nur eine kleine Auseinandersetzung mit einem Baum. Und ich schätze, der Baum hat gewonnen.« Mageli versuchte, beruhigend zu lächeln, was aber gründlich misslang.
»Beweg dich nicht«, ordnete Erin an. »Ich schaue mir das erst mal an.« Er setzte sich neben Mageli auf den Boden und nahm behutsam ihren zerkratzten Arm in seine beiden Hände. Magelis Arm fing so heftig an zu kribbeln, dass sie den Schmerz – wenn er noch da war – überhaupt nicht spürte.
»Tut das weh?«
»Hm, nicht besonders.«
»Und das?« Erin drehte ihren Arm leicht hin und her. Das Kribbeln wurde stärker.
»Nicht sehr.«
»Gut. Dann scheint zum Glück nichts gebrochen zu sein. Komm, ich helfe dir hoch«, bot Erin an und streckte Mageli seine Hand hin. Als sie danach griff, zog er sie kraftvoll, aber sanft nach oben. Er behielt ihre Hand noch eine Sekunde in seiner, dann ließ er sie los.
»Du solltest jetzt besser nach Hause gehen.«
Die Idee gefiel Mageli gar nicht. Sie wollte nicht zurück nach Hause, wo Linda und der Hausarrest auf sie warteten. Sie wollte nicht wieder allein durch den Wald gehen. Und am wenigsten wollte sie sich schon von Erin verabschieden.
»Und ich werde dich besser begleiten«, sagte er in diesem Moment. »Wer weiß, wo die beiden Kerle abgeblieben sind.« Er schaute sie erwartungsvoll an. Und plötzlich klang nach Hause gehen für Mageli doch recht verlockend.
»Margarethe-Elisabeth, aufstehen!« Linda stand oben im Flur und brüllte in voller Lautstärke.
Nur noch fünf Minuten! Mageli wollte sich umdrehen und die Decke über den Kopf ziehen. Aber da war keine Decke. Und ihr Bett kam ihr ziemlich unbequem vor. Viel zu hart. Als sie die Augen öffnete, wurde ihr klar, warum: Sie lag auf dem Fußboden vor ihrem Bett. Außerdem war sie noch komplett angezogen. Eine schnelle Bestandsaufnahme ihres Körpers ergab: Ihre Augen brannten und hinter ihrer Stirn spürte sie ein dumpfes Pochen. Die rechte Seite, auf der sie gelegen hatte, schmerzte. Der Arm war eingeschlafen und fing gerade an, unangenehm zu kribbeln. Ansonsten war alles in Ordnung. Das irritierte sie. Irgendetwas fehlte.
In Gedanken ging sie noch einmal alle Körperteile einzeln durch. Dann fiel es ihr plötzlich ein. Ihr linker Arm! Der müsste doch eigentlich höllisch wehtun! Probehalber winkelte sie den Ellenbogen an. Nichts. Sie drehte sich auf die linke Seite. Stützte sich auf. Nichts. Sie nahm ihre beiden Arme hoch und betrachtete sie aufmerksam. Nichts. Keine Schrammen, keine Kratzer, kein verkrustetes Blut. Was hatte das zu bedeuten?
»Margarethe-Elisabeth!«
Mageli zog sich am Rand ihres Bettes vom Boden hoch. Automatisch warf sie einen Blick auf den Wecker. Sieben Uhr fünfzehn. Mist! Schon wieder verschlafen. Sie drehte sich um und schaute in den Spiegel, der auf der anderen Seite des Zimmers an der Wand hing. Doppelter Mist! So konnte sie unmöglich aus dem Haus gehen. Ihre Klamotten waren zerknittert. Ihr Gesicht sah nicht viel besser aus als ihr T-Shirt. Aber am schlimmsten hatte es ihre Haare getroffen. Die waren von oben bis unten verknotet und standen wie toupiert vom Kopf ab. Vermutlich hatte der Teppichboden diese Verwüstung angerichtet. Wenn sie auch nur halbwegs menschlich aussehen wollte, kam sie um eine Dusche nicht herum.
Na gut! Ihrer Mutter würde sie einfach erzählen, die erste Stunde fiele aus, und in der Schule konnte sie sagen, sie sei beim Arzt gewesen. Sie sah auf jeden Fall so erledigt aus, dass ihre Lehrer ihr die Geschichte glauben würden. Mageli holte ein T-Shirt aus dem Schrank, das zur Farbe ihrer meergrünen Augen passte und von dem sie hoffte, dass es ihre Blässe ein wenig abmilderte. Dann schlich sie ins Bad.
Das Bad war einer der wenigen Vorteile ihres Kellerzimmers, dachte Mageli, als sie kurz darauf unter der heißen Dusche stand. Eigentlich war es kein richtiges Badezimmer, sondern eine Dusche, die in die Waschküche eingebaut war. Es gab keine Duschkabine, das Wasser floss einfach in einen Metallrost im Boden. Aber Mageli war die Einzige, die diese Dusche benutzte, während alle anderen sich in dem komfortableren Bad im ersten Stock fertig machten. Es war also quasi ihr persönliches Badezimmer.
Mageli drehte das warme Wasser noch ein Stückchen weiter auf, bis die festen Strahlen,
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