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Elfenblick

Elfenblick

Titel: Elfenblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Lankers
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ziemlich die größtmögliche Übertreibung, um Susas Auto zu beschreiben. Susa fuhr einen alten Fiat Panda, den sie kurz vor Rosanns Geburt gebraucht gekauft hatte. Damals war der Wagen vielleicht mal weiß gewesen, mittlerweile überdeckten grauer Staub und Dreck die zahlreichen Rostflecken. Durch die Waschanlage gefahren war Susa das letzte Mal vor etwa zehn Jahren. Sie fand, es mache keinen Sinn, das Auto zu waschen, wenn es sowieso bald den Geist aufgeben würde. Bisher hatte sich der Wagen aber standhaft geweigert, dies zu tun. Mageli vermutete, dass der Dreck ihn so gut zusammenhielt.
    »Echt lieb, dass du uns fährst«, sagte Mageli, als sich Susa auf den Fahrersitz fallen ließ, was dem Panda ein leichtes Stöhnen entlockte.
    »Klar, gern. Wie kommt es eigentlich, dass deine Mutter dich hat gehen lassen? Rosann sagte, du hättest Hausarrest.«
    »Hab ich auch. Und begeistert war Linda nicht. Aber weil Jodel-Ursel das Ganze organisiert hat, ist sie der Meinung, dass es eine schulische Veranstaltung ist. Und Schule ist natürlich vom Hausarrest ausgenommen.«
    Eigentlich war sie ganz froh, dank des Konzerts heute den Nachmittag nicht zu Hause verbringen zu müssen. Mit Grauen erinnerte sie sich an Lindas Strafpredigt, als sie vorgestern erst nach dem Abendessen zurückgekommen war.
    »Hast du eigentlich deine Flöte mit dabei?«, fragte Rosann besorgt.
    »Ach komm, so vergesslich bin nicht mal ich.« Zum Beweis zog Mageli den lederbezogenen Kasten aus ihrem Rucksack und strich liebevoll darüber. Ihre Querflöte war ein richtig gutes Instrument. Ein Geschenk von Jost, das Mageli wie einen Schatz hütete.
    Die Fahrt zum Seniorenstift St. Elisabeth dauerte mit dem Auto gut zwanzig Minuten. Das Altersheim war vor einigen Jahren im Randbezirk von Neuenburg gebaut worden und strahlte mit seinem hohen Anteil an Stahl und Glas eine kühle Anonymität aus. Rosann und Mageli kletterten über den Beifahrersitz aus dem Panda, und Susa warf ihnen noch eine Kusshand zu, bevor sie mit schepperndem Motor davonfuhr.
    »Schickes Auto. Sondermodell Rostlaube, würde ich sagen.« Marc, na klar. Und auch sein Schatten Ben war nicht weit. Die beiden lehnten an dem Metallgeländer neben der Treppe zum Eingang und rauchten.
    »Verschluck dich nicht an deiner Kippe, sonst qualmst du wochenlang aus dem Hintern.« Ohne die beiden eines Blickes zu würdigen, ging Rosann an den Jungs vorbei. Mageli machte, dass sie schnell hinterherkam. Als die Eingangstür sich automatisch hinter ihnen schloss, fingen sie prustend an zu lachen.
    »Da seid ihr ja endlich.« Frau Ursulin kam angerauscht und verbreitete auf der Stelle Hektik. Sie trug ein paillettenbesetztes Abendkleid, das vermutlich noch niemals der aktuellen Mode entsprochen hatte, und hatte ihre Haare zu einem strengen Dutt am Hinterkopf festgezurrt, aus dem struppig einige dauergewellte Locken herausquollen.
    »Los, rein, rein. Die vordersten zwei Reihen sind für uns reserviert.«
    Durch eine extrabreite Tür traten sie in den Speisesaal, der zum Festsaal mit Bühne umfunktioniert worden war.
    »Boah, ist das retro«, flüsterte Rosann fasziniert.
    Die Wände waren bis zur halben Höhe mit dunklen Holzpaneelen verkleidet, von der Decke hingen Kronleuchter, in denen elektrische Kerzen steckten, und die Stühle, auf denen die Bewohner schon Platz genommen hatten, waren mit einem braunen Stoff bezogen, der aussah wie gehäkelt.
    »Kein Wunder, die Bewohner sind auch alle ziemlich retro.« Mageli nickte zu der Riege von Rollstuhlfahrern hinüber, die in der hintersten Reihe Aufstellung bezogen hatten. »Ich glaube, wir senken hier das Durchschnittsalter um mindestens achtzig Jahre.«
    »Was finden alte Damen bloß so schick an lila Haaren?«, wollte Rosann wissen, während sie durch den Mittelgang nach vorne gingen.
    Mageli wurde eine Antwort erspart, denn in diesem Moment trat eine beleibte Frau mittleren Alters mit geblümtem Kleid und goldgefasster Brille auf die Bühne und klopfte gegen das Mikro. Ein schrilles Quietschen erfüllte den Raum. Rosann und Mageli quetschten sich schnell auf zwei Stühle direkt am Gang.
    »Meine Damen und Herren, liebe Bewohner, liebe Mitarbeiter und liebe Gäste.« Die Frau am Mikrofon holte tief Luft. »Herzlich willkommen zu unserem diesjährigen Sommerfest. Frau Ursulin von der Johannisschule hat sich freundlicherweise bereit erklärt, mit ihren Schülern für die musikalische Gestaltung unserer kleinen Feier zu sorgen, sodass wir das Programm mit

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