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Elfenblick

Elfenblick

Titel: Elfenblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Lankers
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nachdenklich.
    »Sie haben aber auch großartig erzählt«, beeilte sich Mageli zu sagen.
    »Oh, vielen Dank. Ja, das Erzählen ist mein großes Hobby. Oder Laster, je nachdem wie man es auslegen möchte.« Inga Sigrunsdottir lächelte. »Wenn du Lust hast, würde ich dir gerne noch weitere Geschichten erzählen. Man findet nicht häufig begeisterte Zuhörer. Die meisten hier hängen den ganzen Tag vor dem Fernseher und schauen lieber diesen hirnverbrannten Unsinn, als sich ein paar gute Geschichten anzuhören. Und ich würde mich sehr freuen, wenn du mir noch etwas auf deiner Flöte vorspielen würdest.«
    Mageli zögerte. Sie wollte unbedingt mehr Geschichten hören, aber erstens war da noch das Problem mit dem Hausarrest, und außerdem war sie unsicher, wie ernst die Einladung gemeint war. Sie wollte sich auf keinen Fall aufdrängen.
    »Ich will Sie aber nicht stören«, schränkte sie deshalb vorsichtig ein.
    »Papperlapapp«, wies die alte Frau sie zurecht. »Ich rechne fest mit deinem Besuch, sagen wir, am Montagnachmittag, so um drei. Würde dir das passen?«
    Mageli gab sich einen Ruck. »Na klar, gern.«
    »Fein. Und bitte sag nicht Sie zu mir. Auf Island sagen wir zu allen Menschen Du! Wenn du mich siezt, komme ich mir schrecklich alt vor.« Damit drehte Inga sich auf dem Absatz ihrer Gesundheitslatschen um. Doch dann fiel ihr noch etwas ein. »Würde es dich stören, wenn wir zu dritt wären? Ich möchte dir nämlich jemanden vorstellen.« Ohne Magelis Antwort abzuwarten, eilte die alte Dame auf ihren Gehstock gestützt in einem beachtlichen Tempo Richtung Büfett.

Das Schrillen des Telefons holte Mageli aus dem Tiefschlaf. Noch bevor sie richtig wach war, hatte sie bereits das unbestimmte Gefühl, etwas Wichtiges vergessen zu haben.
    Das Telefon im Flur war ein altmodisches Teil mit Schnur und Wählscheibe. Linda hatte eigentlich nichts für altmodische Sachen übrig, aber sie hatte noch weniger für Verschwendung übrig, also hatte sie nie die Notwendigkeit gesehen, ein neues Telefon anzuschaffen. Das schrille Klingeln wurde von Lindas Stimme übertönt.
    »Margaretheee, ich kann gerade nicht, geh du!«
    Wenn Linda es eilig hatte, rief sie Mageli Margarethe, allerdings zog sie das letzte E dabei so in die Länge, als wollte sie auch noch Elisabeth dranhängen.
    Mageli beschloss, das Klingeln ebenso wie das Rufen ihrer Mutter zu ignorieren. Es war Samstagmorgen, und ein Blick auf den Wecker verriet ihr, dass es erst zehn Uhr war. Sie war nicht gewillt, jetzt schon aufzustehen. Gestern Abend hatte sie vor dem Schlafengehen extra ihre Tür zugesperrt. Wenn sie schon in Einzelhaft saß, sollte die Kerkertür wenigstens von innen verschlossen sein.
    Mageli machte die Augen wieder zu und versuchte, sich gleichmäßig in den Schlaf zu atmen. Ein Klingeln, ein Atmen, ein Klingeln … Plötzlich schreckte sie hoch. Jetzt wusste sie wieder, was ihr eben nicht eingefallen war! Hektisch blickte sie sich um. Nichts! In dem dunkelgrünen Ohrensessel? Nichts! Sie kniff die Augen zusammen und schaute noch mal hin. Da war niemand! Enttäuscht ließ sie sich in ihre Kissen fallen.
    Dort hatte er gesessen, in ihrem abgegriffenen Sessel, die Arme aufgestützt, mit seinem typischen Lächeln auf den Lippen, und hatte sie mit leicht geneigtem Kopf betrachtet wie eine schöne Blume oder ein seltenes Tier. Erin! Und jetzt war er verschwunden.
    »Mach auf!« Linda hämmerte mit der Faust gegen Magelis Tür. »Raus aus dem Bett, es ist schon nach zehn, und ich glaube, es gibt das eine oder andere für dich zu tun. Und das nächste Mal, wenn ich dich bitte, ans Telefon zu gehen, gehst du ans Telefon, ist das klar?«
    Mageli steckte sich beide Zeigefinger in die Ohren und wartete. Gedämpft drang Lindas wütende Stimme zu ihr. Aber irgendwann war ihre Mutter es leid, auf eine geschlossene Tür einzuschimpfen. Als Mageli die Finger wieder aus den Ohren nahm, konnte sie hören, dass Linda grummelnd nach oben stapfte.
    Mageli schaute wieder zum Sessel und rief sich die Ereignisse der letzten Nacht in Erinnerung. Sie war von einem Geräusch aufgeschreckt, hatte orientierungslos im Bett gelegen und in die Dunkelheit gelauscht. Da hatte sie jemanden atmen gehört. Zuerst dachte sie, einer ihrer Brüder hätte sich ins Zimmer geschlichen, um ihr einen Streich zu spielen. Aber die Zimmertür war ja abgeschlossen! Hektisch suchte sie nach dem Lichtschalter und knipste die Nachttischlampe an. Als sie mit wild klopfendem Herzen in Richtung

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