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Elfenblick

Elfenblick

Titel: Elfenblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Lankers
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sie darauf.
    Es dauerte wie immer quälend lange, bis sich die Seite mit den Suchergebnissen aufgebaut hatte. Ich hätte genauso gut nebenan ein Lexikon suchen und darin nachschlagen können, dachte Mageli genervt. Aber schließlich hatte sie die Liste vor sich. Sie klickte den ersten Link an: ein Onlinewörterbuch.
    »Wechselbalg: bezeichnet ein untergeschobenes Kind (Balg). Wird synonym für den Begriff Kuckuckskind verwendet. In Märchen und Mythen werden Geisterwesen und andere Fabelgestalten für das Auswechseln des Kindes verantwortlich gemacht.«
    Mageli blinzelte erstaunt. Mit dem Ausdruck Kuckuckskind konnte sie etwas anfangen. Das war ähnlich wie in dem Zeitungsartikel über die vertauschten Kinder: Männer, denen das Kind eines anderen untergeschoben wurde, sodass sie glaubten, es wäre ihr eigenes. Das hatte der Vater von dem Mädchen, das im Krankenhaus vertauscht worden war, ja auch zuerst gedacht. Aber das konnte Silas unmöglich gemeint haben, als er sie einen Wechselbalg nannte.
    Mageli rief den nächsten Treffer auf. Da wurde eine fast vierhundert Jahre alte »Untersuchung über untergeschobene Kinder« zitiert: »Untergeschobene Kinder sind ein Foetus, eine einen Menschen darstellende Gestalt, die vom Teufel in der Gebärmutter der Zauberinnen aus Blut oder einer anderen Materie gestaltet und erzeugt worden sind und an die Stelle der richtigen Kinder untergeschoben wurden.«
    Puh, gruselig. Mageli schüttelte sich, als sie das las. Aber besonders hilfreich fand sie es auch nicht. Nachdem sie noch einigen wenig aufschlussreichen Links gefolgt war, öffnete sie schließlich eine Seite, auf der Sagen und Geschichten aus der ganzen Welt gesammelt wurden und es Lexikonartikel zu allen möglichen Begriffen aus der Mythologie gab. Mageli las sich die Einträge zum Thema Wechselbalg genau durch.
    Der Wechselbalg wurde hier als ein Kind beschrieben, das Elfen, Zwerge, Hexen oder andere Zaubergestalten gegen ein Kind der Menschen austauschten. Dies geschah heimlich, sodass die Mutter es nicht bemerkte, meist, wenn das Kind noch sehr klein war. In vielen Fällen wurde das Menschenkind aus der Wiege genommen und das falsche Kind hineingelegt. Es gab aber auch Fälle, wo ältere Kinder vertauscht wurden.
    Dicke Köpfe und Bäuche sowie Kröpfe galten als Kennzeichen der Wechselbälge. Zu erkennen seien diese auch daran, dass sie viel schrien und überhaupt sehr störrisch seien. Außerdem äßen sie ohne Unterlass, sodass die Eltern ihren Hunger kaum stillen könnten.
    Mageli lachte: Der letzte Punkt traf zumindest auf sie zu! Ansonsten fand sie die Beschreibungen wenig ermutigend. Das klang alles ziemlich böse. Ein fieses Schimpfwort, wenn es denn so gemeint gewesen war. Aber Mageli hatte immer noch das Gefühl, dass mehr dahintersteckte. Sie las weiter.
    Der Glaube an die Wechselbälger schien ziemlich alt zu sein. Da gab es die Beschreibung eines Gerichtsverfahrens aus dem siebzehnten Jahrhundert, bei dem ein Elternpaar angeklagt wurde, weil es seinen zehn Jahre alten Sohn an Weihnachten über Nacht schlafend auf den Misthaufen gelegt hatte. Natürlich war der Junge erfroren. Sie verteidigten sich damit, dass sie geglaubt hatten, der Junge sei ein Wechselbalg, der als kleines Kind ausgetauscht worden sei. Seitdem sei er stets kränklich gewesen und hatte Tag und Nacht geschrien. Nun wollten sie die Geistwesen, die ihren Sohn ausgetauscht hatten, zwingen, den Tausch rückgängig zu machen. Als er starb, glätteten sich seine verzerrten Gesichtszüge und Glieder, und da glaubten die Eltern, sie hätten ihr eigenes Kind zurückbekommen.
    Das war ja widerlich! Mageli hatte den Verdacht, dass der Wechselbalgglauben nur aufgekommen war, weil Eltern mit schwierigen oder behinderten Kindern nicht klarkamen.
    Entsprechend schauerlich waren die Tipps, wie man einen Wechselbalg wieder loswerden konnte. Zunächst sollte man das falsche Kind dazu bringen, sein wahres Alter preiszugeben, zum Beispiel indem man Wasser in einer Eierschale kochte, was den Wechselbalg so verwundern sollte, dass er etwas sagen würde wie: »Jetzt bin ich bereits tausend Jahre alt und habe noch nie etwas so Verwunderliches gesehen.«
    Mageli schüttelte den Kopf. Das war nun wirklich albern. Schließlich empfahl der Volksglaube, die Kinder so lange zu schlagen oder ihnen auf andere Weise wehzutun, etwa indem man sie übers Feuer hielt, bis die wahren Mütter kamen, um sie zurückzuholen, und die ausgetauschten Menschenkinder

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