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Elfenblick

Elfenblick

Titel: Elfenblick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Lankers
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wiederbrachten.
    Frustriert schloss Mageli die geöffneten Seiten und schaltete den Computer aus. Das war alles wenig hilfreich. Eine umfassende Lektion in Aberglauben – aber im Grunde hatte nichts von all dem, was sie gelesen hatte, sie weitergebracht. Was hatte Silas bloß gemeint, als er sie einen Wechselbalg nannte?
    Mageli knipste das Licht aus und schloss die Tür gut hinter sich ab. Im Dämmerlicht, das durch die Fenster fiel, fand sie den Weg durch das Chaos von Herrn Fingers Lagerhalle, schnappte sich ihr Fahrrad, das sie hinter der Eingangstür geparkt hatte, und schloss auch diese ab. Sie schob das Rad neben sich her und ging langsam die Straße hinunter. Sie brauchte Zeit zum Nachdenken.
    Das Verrückte an der Sache war, dass sie selbst schon so lange darüber nachgrübelte, ob sie überhaupt Josts und Lindas Tochter war. Linda behandelte sie wahrhaftig nicht wie ein eigenes Kind, fand sie. Und Jost … Wenn Jost da war, fühlte Mageli sich sicher und geborgen. Aber Jost war ja immer unterwegs und so gut wie nie zu Hause! Mageli hatte ständig das Gefühl, nicht hierherzugehören. Dann las sie erst in der Zeitung davon, dass Kinder im Krankenhaus versehentlich vertauscht wurden, und anschließend stieß sie durch Zufall auf Geschichten über untergeschobene Wechselbälger.
    Oder war das gar kein Zufall? Die Tatsache, dass sie durch Silas’ fiese Bemerkung erneut in einer Welt aus Märchen und Mythen gelandet war, machte sie stutzig. Es war kaum wahrscheinlich, dass Silas den Ausdruck zufällig benutzt hatte, dafür war er viel zu wenig gebräuchlich. Richtig veraltet! , dachte Mageli. Was hatte sie gerade über Wechselbälger gelesen? Sie wurden den Menschen von Elfen und anderen fantastischen Wesen in die Wiege gelegt. Schon wieder Elfen! Die schienen sie zu verfolgen, wohin sie im Moment auch ging.
    Ich könnte Erin fragen, schoss es ihr durch den Kopf.
    Blödsinn! Erin ist ein Traum. Und außerdem wird er dir nach dem, was du letzte Nacht getan hast, sicher keine Nachhilfe in Märchen und Mythen mehr geben.
    Mageli versuchte, die mahnende Stimme abzuschalten.
    Erin kann mir meine Fragen vielleicht beantworten. Und er wird mich nicht für verrückt halten, weil ich irgendwas von Elfen fasele.
    Er wird dich nicht für verrückt halten – WEIL DU IHN ERFUNDEN HAST! Das ist nur eine Ausrede. Du willst ihn bloß wiedersehen. LASS ES!
    Die Stimme ließ nicht locker.
    Aber Mageli hatte sich schon aufs Rad geschwungen und trat kräftig in die Pedale. Sie hatte keine Ahnung, wo sie Erin finden konnte. Aber sie wollte es unbedingt probieren. Vielleicht würde sie ihn auf ihrer Lichtung treffen, auf der sie sich auch beim ersten Mal begegnet waren. Der bloße Gedanke an Erin sorgte dafür, dass ihr ganz flau im Magen wurde.

Die Lichtung lag bereits im Halbdunkel, als Mageli ankam. Sie ließ ihr Fahrrad, das sie über das letzte Wegstück hatte schieben müssen, achtlos ins Gras fallen und blickte sich um. Hier sah es aus wie immer: Bäume umstanden die Lichtung, der kleine Bach plätscherte gluckernd dahin und auf der gegenüberliegenden Seite erhob sich der steinerne Eingang zur Höhle. Mageli drehte sich zweimal langsam um sich selbst und betrachtete alles ganz genau. Wo war Erin? Wie sollte sie ihn rufen?
    Nachdenklich hockte sie sich auf einen der dicken Steine am Ufer des kleinen Flüsschens, zog ihre Turnschuhe aus und ließ die nackten Füße ins Wasser hängen. Kühl sprudelte es um ihre Zehen. Sie wippte mit den Füßen, sodass ihre Zehen über die Oberfläche kamen, und ließ die Tropfen zurück in den Fluss perlen. Ringe breiteten sich auf der Oberfläche aus, bevor sie von der trägen Strömung mitgezogen wurden. Mageli starrte in das dunkle Wasser. Sie hatte Erins Gesicht so lebendig vor Augen, als würde er sie aus den flachen Wellen anschauen. Seine Zauberaugen, seine gerade Nase, sein verschmitztes Lächeln, sein kantiges Kinn mit dem Grübchen – sie hätte jede Einzelheit problemlos aus dem Gedächtnis zeichnen können.
    Wo steckst du? Bitte, bitte, komm und hilf mir!
    »Komm, bitte!«, wiederholte Mageli laut. Doch nichts passierte. Mit beiden Händen strich sie sich die Haare hinter die Ohren und zupfte die Strähnen wieder nach vorn. Was hatte Erin gesagt? Die hübschesten spitzen Ohren, die er je gesehen hatte. Entschlossen steckte Mageli die Haare nach hinten. Dann saß sie ganz still und lauschte dem Plätschern des Flüsschens, dem Zirpen der Grillen und einem Vogel, der in einem

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