Elfenblick
Waffenmeister.«
»Oh, er hat von Ihnen gesprochen«, erinnerte sich Mageli. »Besser gesagt, er hat erzählt, wie sehr er den Unterricht in den Kampftechniken mag.«
»Das kann ich mir gut vorstellen. Er ist ja auch mein Musterschüler.« Meriant lachte leise, aber Mageli verstand den Witz erst, als er hinzufügte: »Im Grunde ist er mein einziger Schüler. Aber wirklich außerordentlich begabt.«
»Können Sie mir sagen, was ihm fehlt?« Mageli wippte unruhig von einem Fuß auf den anderen. Jetzt, nachdem sie sicher sein konnte, dass Meriant ihr nicht die Kehle durchschneiden würde, wollte sie nur noch zu Erin.
»Wenn wir das wüssten …« Der Waffenmeister schüttelte traurig den Kopf. »Seit Tagen schon liegt er in seinem Bett und wacht nicht mehr auf. Manchmal glaube ich, dass ihn schreckliche Träume quälen, denn dann wirft er sich herum und stöhnt. Die meiste Zeit aber liegt er wie leblos da. Er kann nichts essen und nichts trinken, sein Körper wird zunehmend schwächer. Lange wird er das wohl nicht mehr durchstehen.«
»Kann ich zu ihm?« Mageli spürte, wie die Angst ihr erneut den Hals zuschnürte. Doch es war eine ganz andere Art von Angst als die, die sie gerade angesichts der Palastwachen und der Bedrohung mit dem Schwert empfunden hatte.
»Ich bringe dich zu ihm, er ist gleich nebenan«, willigte Meriant ein.
Er führte Mageli zu einer zweiten Tür, die diesen und den nächsten Raum direkt miteinander verband, und öffnete sie. Meriant ließ Mageli den Vortritt und blieb selbst im Türrahmen stehen.
An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein ausladendes Bett mit Baldachin. Der Rahmen war mit fantastischen Schnitzereien verziert und an den Seiten hingen Vorhänge aus luftigem, hellgrünem Stoff herab, auf die ein silbernes Rankenmuster gestickt war. Hinter diesen Tüchern konnte Mageli eine Gestalt erkennen, die auf dem Rücken lag und das Gesicht zur Decke gewandt hatte: Erin!
Mageli rannte fast zum Bett hinüber und riss die Vorhänge zur Seite. Ihr Herz hämmerte wie wild. Unter den weißen Laken zeichnete sich Erins schlanker Körper ab und auf dem dicken Kissen ruhte sein Kopf mit den dunkelbraunen wirren Locken. Ein Schock durchzuckte Mageli: Er sah aus wie tot.
Nein, er atmete, seine Brust hob und senkte sich sanft unter den Laken! Sein Gesicht aber war leichenblass. Hinter den geschlossenen Lidern zuckten die Augäpfel hin und her.
»Erin«, flüsterte Mageli.
Er reagierte nicht.
»Erin.« Mageli sprach etwas lauter. »Ich bin hier. Ich bin gekommen, um dir zu helfen. Wie ich es versprochen habe.«
Keine Reaktion.
»Erin!« Am liebsten hätte Mageli den Schlafenden an der Schulter gerüttelt, um ihn aufzuwecken, traute sich aber nicht. Stattdessen nahm sie vorsichtig seine rechte Hand, die auf dem Laken lag, und drückte sie sanft. Da war es wieder: Das Kribbeln in ihren Fingern, das sie schon bei ihrer allerersten Begegnung gespürt hatte. Ob er es auch merkte? Sie drehte Erins Hand um und zog mit ihrem Zeigefinger die Linien in seiner Handfläche nach.
Da! Hatten seine Finger nicht gerade ein wenig gezuckt? Mageli schaute in Erins bleiches Gesicht. Seine Augen waren noch immer fest geschlossen. Und als Mageli seine Hand freigab, fiel sie schlaff zurück auf das Bett. Nein, so einfach schien es nicht zu sein!
»Was soll ich bloß tun, um dir zu helfen?«, fragte Mageli. Natürlich erhielt sie keine Antwort.
Von der Tür erklang ein Hüsteln. Meriant! Ihn hatte Mageli ganz vergessen.
»Ich glaube, der König hat einige Heiler geschickt, die gerade eintreffen«, sagte er. Mageli hörte es auch: Schritte auf dem Gang und Stimmen, die lautstark debattierten. Sie kamen schnell näher. Das war eine größere Gruppe, erkannte Mageli.
»Besser, wenn man dich hier nicht sieht.« Mit wenigen langen Schritten eilte Meriant durch den Raum und zog Mageli vom Bett hoch. Er schob sie in die Zimmerecke, die von dem breiten Bett verdeckt wurde. »Da hinein!« Meriant schubste sie noch ein Stück weiter in die Ecke.
Was sollte sie hier? Hier würde man sie doch sofort finden! Da entdeckte Mageli eine glänzende Kugel direkt vor ihr an der Wand. Ein Türknauf! Sie drehte den Knauf, und augenblicklich sprang eine schmale Tür auf, die sich so perfekt ins Muster der Wände einpasste, dass Mageli sie zuvor gar nicht bemerkt hatte. Eine Geheimtür!
»Beeil dich!« Meriant klang beschwörend und noch einmal schob er Mageli vorwärts. Die geheime Tür schloss sich genau in dem Moment
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