Elfenblut
ich, aber er ist noch nicht hier.«
»Und du weißt nicht, wann er kommt und wie ich ihn erkenne?«
»Später«, antwortete der Mann. »Und such einfach nach dem hässlichsten Kerl, den du auf dem ganzen Markt findest, dann kannst du ihn gar nicht verfehlen.« Sein Blick löste sich für einen Moment von Pia und irrte zu einem Punkt irgendwo hinter ihr, wahrscheinlich den beiden Wachen. »Aber er wird kaum vor Mitternacht ankommen, seine Karawane ist nicht besonders schnell. Du hast seltsame Freunde, Mädchen.«
Pia drehte sich halb herum und sah, dass die beiden Gardisten näher gekommen waren und in kaum drei Schritt Abstand dastanden. Sie mussten schon taub sein, um nicht zu hören, was sie sagten. Außerdem gaben sie sich große Mühe, möglichst grimmig auszusehen; was ihnen mit ihren dunkel umrandeten Augen und grauen Gesichtern nicht besonders schwerfiel …
»Wieso?«, fragte sie.
Der Mann hob nur abermals die Schultern, versetzte dem Zwergenrind vor sich einen derben Schlag mit seiner angespitzten Eisenstange (Pia hätte er vermutlich jeden einzelnen Knochen im Leib gebrochen, aber das Tier reagierte nur mit einem leicht vorwurfsvollen Blick und setzte sich gemächlich in Bewegung) und ging. Pia sah ihm verwirrt nach. Die beiden Wachen hatten kein einziges Wort gesagt, und so eingeschnappt konnte der Bursche doch wohl nicht sein, nur weil sie ihn nach einem Konkurrenten gefragt hatte, oder?
Sie schüttelte den Gedanken ab. Offensichtlich erfreute sich die Stadtwache auch bei Besuchern aus anderen Städten nicht gerade großer Beliebtheit. »Lass uns gehen«, sagte sie, während sie sich zu Alica herumdrehte. »Das hat keinen Sinn. Du hast es ja gehört.«
»Ja«, antwortete Alica säuerlich. Sie rührte sich nicht. »Gehört schon, nur nicht verstanden.«
Pia seufzte. »Er ist noch nicht hier«, sagte sie. »Wir sollen gegen Mitternacht wiederkommen oder später.«
»Du meinst, weil unser Freund Istvan in spätestens einer Stunde weiß, nach wem wir gesucht haben?«, fragte Alica und machte eine verstohlene Augenbewegung in Richtung der beiden Soldaten.
Pia zuckte übertrieben trotzig mit den Schultern. »Ich kann nichts dafür, dass Brack sein Fleisch nur bei diesem einen Händler kauft«, antwortete sie.
»Clever«, lobte Alica. »Aber nicht clever genug. Darauf fallen sie bestimmt nicht rein. Warum fragst du den Typen nicht, wo wir diesen Terdingsbums finden? Wir könnten ihm entgegengehen.«
»Und das ist eine noch schlechtere Idee«, seufzte Pia. »Aber bevor du fragst: Ich habe auch keine bessere.«
»Jede Idee wäre besser gewesen als die, hierherzukommen«, raunte eine Stimme neben ihr.
Pia hob den Kopf, sah niemanden und musste sich zusammenreißen, um nicht zu verwirrt auszusehen. Sie waren allein, jedenfalls im Umkreis von acht oder zehn Schritten – abgesehen von den Wachen war die ihnen am nächsten stehende Person ein uralter Mann in heruntergekommenen Kleidern, der ein schmales, von zu vielen Jahren zu harter Arbeit und zu großen Entbehrungen gezeichnetes Gesicht und schulterlanges, strähniges Haar hatte. Er war mit irgendetwas beschäftigt, das Pia nicht genau erkennen konnte, sah aber immer wieder in ihre Richtung und machte auch gar keinen Hehl aus seiner Neugier. Eigentlich war er viel zu weit entfernt, als dass es seine Stimme gewesen sein konnte, doch Pia erwog den Gedanken trotzdem einen Moment lang ernsthaft … aber dann schüttelte sie den Kopf. Nein. Es war die Stimme einer jungen Frau gewesen, nicht die eines Greises, und –
»Kommt zum Tor«, fuhr die Stimme fort. Sie klang immer noch wie die Stimme einer jungen Frau und sie erklang immer noch direkt an Pias Ohr, die gerade sah, wie sich die Lippen des alten Mannes bewegten. Das war vollkommen unmöglich, aber es war trotzdem so. »Aber kommt ohne die Wachen. Ich sorge dafür, dass sie abgelenkt sind. Wartet einen Moment, bis ihr mir nachfolgt.«
Der alte Mann drehte sich mühsam herum und schlurfte mit hängenden Schultern und leicht humpelnd davon.
»Kennst du den Alten?«, fragte Alica stirnrunzelnd.
»Nein«, antwortete Pia. »Aber hast du …« Nichts gehört? Sie schluckte die beiden letzten Worte hinunter, schüttelte übertrieben heftig den Kopf und deutete einen verstohlenen Blick in Richtung der beiden Wachen an. Alica antwortete auf dieselbe lautlose Art.
Pia bezweifelte, dass sie wirklich verstand, was geschehen war, aber immerhin stellte sie keine weitere Frage mehr. Gemeinsam wandten sie sich
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