Elfenglanz
Als wir zu deiner Wohnung gefahren sind?«
Tamani hätte am liebsten die Augen zugekniffen. Meinte sie, dass er sie angelogen hatte? Nach dem Ball, als er sie so fürchterlich verraten hatte? Oh ja, daran konnte er sich gut erinnern.
»Ich wollte alles gestehen. Ich wollte zu euch überlaufen und euch im Kampf gegen Klea helfen. Du hattest recht – ich hatte immer schon Angst vor ihr. Aber in dieser Nacht hast du mir das Gefühl gegeben, ich wäre stark. Als könnte ich alles tun, was ich wollte. Und das hatte ich vor, ich wollte es versuchen.«
»Ich weiß«, entgegnete Tamani leise. Er zog sie so an sich, wie er es erst am Vorabend beim Tanzen getan hatte, als sie noch ihr Ballkleid trug. Doch diesmal meinte er es ernst. »Es tut mir leid, dass ich dich nicht habe reden lassen.«
»Du hast nur deinen Job gemacht«, flüsterte Yuki. »Als David mich in diesen Kreis gestellt hat, war ich so wütend … ich hätte einfach trotzdem tun sollen, was ich mir vorgenommen hatte. Ich hätte mit euch zusammenarbeiten sollen. Auch vom Kreis aus hätte ich mit euch reden können. Ich habe es nur nicht getan, weil ich so sauer war.«
»Mit Recht«, sagte Tamani. »Ich habe gemerkt, dass du dich in mich verliebst hast, und habe es gegen dich verwendet. So etwas Schreckliches habe ich noch nie getan.«
»Psst.« Yuki legte einen Finger auf seine Lippen. »Ich will keine Entschuldigungen von dir hören.« Ihre Stimme wurde immer leiser. Wollte sie möglichst wenig Energie verschwenden oder konnte sie einfach nicht mehr? »Ich möchte nur hier liegen und so tun, als hätte ich von Anfang an alles richtig gemacht. Als hätte ich dir vertraut und rechtzeitig mit euch zusammengearbeitet. Ich möchte mir vorstellen, dass die vielen hundert Elfen nicht gestorben sind, weil ich stark genug war, um mich gegen Klea aufzulehnen. Und dass … dass du und ich eine Chance gehabt hätten.«
Tamani verkniff sich den naheliegenden Protest und streichelte Yukis dunkles üppiges Haar. Auch wenn er Yuki in den Armen hielt, war er in Gedanken bei Laurel. Würde er sie je wiedersehen? Würden sie sich je wieder so küssen, so zärtlich miteinander sein, so glücklich wie damals in der Hütte? Aber nein – auch wenn er so lange lebte, bis sie wiederkam, würde er sie nie wieder berühren.
Tamani hatte gar nicht gemerkt, dass er vor sich hin summte, bis Yuki sich von ihm löste und fragte: »Was ist das?«
»Was? Oh, das … das ist ein Gute-Nacht-Lied. Meine Mutter hat es mir immer vorgesungen; es war ihr Lieblingslied.«
»Ein Lied der Elfen?«
»Das habe ich jedenfalls immer gedacht«, erwiderte Tamani mit einem traurigen Lächeln.
»Sing es mir vor«, bat Yuki und schmiegte sich in seine Arme.
In der dunklen Nacht schienen David, Klea und ihre Soldaten zu verblassen, als Tamani leise und stockend ein Lied über Camelot sang, das er auf den Knien seiner Mutter gelernt hatte. Er kannte den Text auswendig, doch beim Singen hatte er das Gefühl, die Worte zum ersten Mal zu hören.
Und als der Mond am Himmel steht,
Jeder sein Korn zu Bündeln dreht,
Ein Flüstern durch die Runden geht
Über die Lady von Shalott.
Sein Blick traf Yukis hellgrüne Augen, in denen wieder Tränen standen. Ihr Kinn zitterte vor Schmerzen und auch vor Reue. Tamani wusste genau, wie sie sich fühlte. Er wünschte, das Lied könnte sie wirklich in den Schlaf lullen und ihr Leben könnte verebben, während sie träumte – von einem Ort, wo der Schmerz sie in Ruhe ließ. Der Tod war ihm nicht fremd, doch obwohl er Freunde hatte sterben sehen – häufiger als er sich erinnern wollte –, hatte er niemanden im Arm gehalten, bis das Leben aus den Augen gewichen war. Es machte ihm Angst.
Doch er würde Yuki nicht verlassen. Sie sollte es nicht allein erleiden.
Lancelot sann, kurz verlegen,
»Hübsch ist sie«, meint er dann verwegen,
»Jetzt hab’ sie der Göttin ew’gen Segen,
Die Lady von Shalott.«
»Lord Alfred Tennyson«, sagte Klea, als Tamani aufhörte zu singen. Er hob ruckartig den Kopf, als hätte sie den Zauber gebrochen. Sogar David hatte nicht weitergegraben, solange Tamani gesungen hatte, und warf Klea einen finsteren Blick zu, bevor er sich wieder seinem Graben zuwandte.
»Aber der Text wurde von einem Schmierfink von Funkler zensiert, würde ich sagen«, fügte Klea ausdruckslos hinzu.
Falls Yuki ihren ätzenden Kommentar gehört hatte, ließ sie es sich nicht anmerken. Sie hatte die Augen geschlossen und ihre Hand lag entspannt auf Tamanis
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