Elfenglanz
kleine blaue Flasche mit dem Wundermittel bitten würde. Aber so funktioniert es nicht und das weiß ich. Kannst du dir vorstellen, welche Kriege um die Herrschaft über Avalon ausgefochten würden, wenn diese Geheimnisse bekannt würden?
Ich widerstehe der Versuchung, diesen Brief zum hundertsten Mal neu zu schreiben. Ich möchte nicht so bitter erscheinen. Es tut mir leid. Aber Chelsea, denk mal daran, was wir alles wissen! Elfen, Orks, Magie! All das tun die meisten Menschen als Mythen aus der Kindheit ab. Wir aber kennen die Wahrheit – wir wissen, dass es sie gibt und dass die Welt, wie wir sie sehen, nur ein Schatten ihrer selbst ist. Manchmal weiß ich nicht, wie du es schaffst, diese Wahrheit nicht überall zu verkünden. Andererseits wissen wir beide, wohin uns das bringen würde, und Zwangsjackenweiß steht dir nicht, und mir ebenso wenig.
Wie auch immer. Ich habe eine Frau kennengelernt, die ich der alten Gang in Crescent City gerne vorstellen würde. Ich glaube, du wirst sie mögen. Wir sind, obwohl wir uns immer mal wieder getrennt haben, schon über ein Jahr zusammen und ich habe mich entschieden, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Ehrlich gesagt, hat sie viel Geduld bewiesen, bis ich endlich so weit war.
Aber nach der Geschichte mit uns beiden hatte ich beschlossen, es beim nächsten Mal richtig zu machen, falls die Liebe wieder in mein Leben treten sollte. Ich musste einen Weg finden, Avalon loszulassen, wenn ich nicht ewig der Vergangenheit hinterher trauern, sondern mich der Zukunft zuwenden wollte. Mir fiel nur eine Lösung ein, sie lag auf der Hand. Eine Lösung, von der ich nie gedacht hätte, dass ich sie jemals in Erwägung ziehen würde. Ich schätze, dass du schon ahnst, was kommt, wenn du diese Zeilen liest. Das ist zum Teil auch der Grund, warum ich dir schreibe, statt dich anzurufen. Ich glaube nicht, dass ich eine deiner berüchtigten Schimpftiraden aushalten würde. Wenn du diesen Brief erhältst, habe ich bereits getan, was ich mir vorgenommen habe, und kann nur hoffen, dass du mir verzeihst.
Ich bin zu Laurel und Tam gefahren. Vergib bitte auch ihr, dass sie damit einverstanden war, dieses Geheimnis vor dir zu bewahren. Falls es etwas nützt, kann ich nur sagen, dass ich lange auf sie einreden musste.
Laurel hatte Monate daran gearbeitet, ein perfektes Gedächtniselixier herzustellen, das meine Erinnerung an Avalon löscht. Es wird viele Lücken in meine Erinnerung an die Highschoolzeit reißen … sie glaubt nicht, dass es meine Erinnerung an dich bedeutend ändern wird, aber sie bezweifelt, dass ich noch oft an sie denken werde – an Tamani wahrscheinlich nie. Sie hofft jedoch, dass in meiner Erinnerung genug von ihr übrig bleibt, um zu nicken und zu sagen »Ach ja, meine Freundin von der Highschool«, wenn Mom von ihr spricht – was durchaus vorkommt. Aber es wird nicht sie sein, an die ich mich dann erinnere.
Es ist mir sehr schwergefallen, mich von ihnen zu verabschieden. Ich bin seit Jahren über die Verliebtheit hinweg – schon seit ich mit dir zusammen war. Mein Herz gehörte ganz und gar dir. Und doch schweißen unsere Erlebnisse uns vier zusammen. Auch wenn ich nie gedacht hätte, dass ich das jemals sagen würde, hat Tam sich in den letzten Jahren als echter Freund erwiesen. Letzten Endes hat er Laurel davon überzeugt, mir das Gedächtniselixier zu geben, und ihr gesagt, dass ich das Recht auf diese Entscheidung habe.
Ich bewundere deine Stärke, Chelsea, und hoffe, dass du mir meine Schwäche vergibst. Doch bevor ich den letzten Schritt tue, komme ich zu dem Geschenk für Sophie (an dem du vielleicht auch sehr viel Freude haben wirst!). Es kommt mir so endgültig vor, eine Erinnerung zu löschen, und ich möchte das nicht alles verlieren. Es ist doch eine großartige Geschichte, oder? Deshalb habe ich sie aufgeschrieben und Laurel nach ihren Erinnerungen und jenen Details gefragt, die ich nicht kannte. Du wirst sehen, dass sie sehr offenherzig war. Sie hat mir alles erzählt und ich habe versucht, es wahrheitsgetreu aufzuschreiben. Für ein normales Buch ist es viel zu lang geworden, aber wenn ein gewisses kleines Mädchen groß wird und auch nur ein bisschen Ähnlichkeit mit seiner Mutter hat, macht das nichts. Sie wird es lieben, weil Elfen darin vorkommen.
Ich habe das einzige Exemplar unserer Geschichte beigefügt, das es gibt. Von meiner Festplatte habe ich es bereits gelöscht. Ich schenke es dir und du kannst damit machen, was du willst. Behalte es,
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